In Zeiten von spottbilligen Flugtickets und überlaufenen Stränden scheinen sich Nachhaltigkeit und Reisen auszuschließen. Welche Alternativen gibt es, um den eigenen ökologischen Fußabdruck zu verringern?

Wer schon einmal gemeinsam mit 2.500 anderen Besuchern durch die Inka-Stadt Machu Picchu in den peruanischen Anden gelaufen ist oder als Passagier eines Kreuzfahrtschiffs die Bevölkerung einer grönländischen Siedlung für einen Tag verdoppelt hat, der weiß, dass Tourismus genauso schädlich sein kann, wie nützlich. Doch auch in Europa ist Massentourismus längst zu einem Problem geworden. So versucht sich die Bevölkerung Venedigs seit Jahren gegen die rund 28 Millionen Besucher, die jährlich die Stadt einnehmen, zu verteidigen – bislang erfolglos.

Die Schattenseite des Tourismus

Viele der Touristen in Venedig kommen aus Deutschland, denn Italien ist, nach Spanien, das beliebteste Reiseziel der Deutschen. Laut der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen e.V. (FUR) wurden im vergangenen Jahr 69,6 Millionen Urlaubsreisen in Deutschland gebucht, davon waren fast die Hälfte Pauschalreisen. Während Reisen früher Luxus war, ist es inzwischen zum Massengut geworden. Die Konsequenz: volle Strände, verschmutzte Landschaften, steigende Mieten und vor allem Ausstoß von Unmengen CO2.

Eine einzige Flugreise von Deutschland nach New York verursacht pro Person etwa 3,5 Tonnen CO2. Um dem Klimaschutzziel der Vereinten Nationen, die globale Erwärmung bis 2050 unter 2 Grad Celsius zu halten, nachkommen zu können, dürfte jeder Mensch jährlich nur 2,5 Tonnen CO2 freisetzen. Bei einem Flug von Berlin nach Barcelona werden circa 600 kg CO2 abgegeben. Das entspricht etwa der Umweltbelastung von einem halben Jahr Autofahren. Ein durchschnittliches Kreuzfahrtschiff kommt auf ähnliche Werte in nur fünf bis sechs Tagen.

Umweltverantwortung auf der ITB

Nur wenige Reisende scheinen sich der Umweltbelastung durch Flugzeuge und Kreuzfahrtschiffe bewusst zu sein und auch im Reisegewerbe spielt Umweltschutz bislang nur eine untergeordnete Rolle. Wie sich Tourismus ökologisch verantwortungsbewusster gestalten lässt, wird im Rahmen der Corporate Social Responsibility (CSR) zum wiederholten Mal bei der Internationalen Tourismus Börse ausgelotet. Verschiedene Veranstaltungen und Vorträge setzen sich mit unternehmerischer Gesellschaftsverantwortung auf sozialer und ökologischer Ebene auseinander, und es gibt einige Aussteller, die Alternativen zum konventionellen Reisen aufzeigen. Aber kann Tourismus überhaupt nachhaltig sein?

Nach Meinung von Prof. Dr. Niko Paech von der Universität Siegen nicht: „Kaum eine zerstörerischere Aktivität wurde so auf die Spitze getrieben wie der Tourismus.“ Der renommierte Postwachstumsökonom verzichtet selbst auf jegliche Flugreisen. Er sieht derzeit keine globale Lösung um der durch den Tourismus verursachten Umweltverschmutzung entgegen zu wirken. Für Paech ist Klimaschutz keine Kür sondern eine Überlebensfrage: „Wenn wir Klimaschutz ernst nehmen, müssen wir da ansetzen, wo die größte Hebelwirkung ist.“

Verzichtet aufs Fliegen: Prof. Dr. Niko Paech.

Im Schneckentempo

Paech plädiert daher für „Slow-Travel“ – die Rückkehr zu einer langsameren, bewussteren Form des Reisens. Warum also nicht mal mit dem Fahrrad den Elberadweg entlang fahren oder auf einem der europäischen Fernwanderwege in die Schweiz wandern? Auch Iliuță Goean von Alternative Travel will Natursportarten populärer machen. Als Teil des Zusammenschlusses Eco Romania sollen seine Kunden Rumänien im Einklang mit der Natur erfahren und sie durch ihren Besuch nicht zerstören, sondern ganz intensiv erleben – im Kajak, beim Vogelbeobachten oder auf dem Pferd. Goean sieht die Verantwortung nicht bei den Kunden, sondern bei den Veranstaltern. Erst wenn hier ein Umdenken stattfände, sei ökologischer Tourismus auch für ein größeres Publikum attraktiv.

Dass Tourismus auch einen positiven Effekt auf die Umwelt haben kann, zeigt das Projekt von Michael Lutzeyer. Das von ihm betriebene Luxusresort in Südafrika wurde mehrfach für seine Bemühungen im Umweltschutz ausgezeichnet. „Progressive Tourism“ nennt Lutzeyer sein Konzept. Die Idee: mit ihrem Aufenthalt im Resort helfen die Gäste Fauna und Flora eines 2500 Hektar großen Naturreservats zu erhalten und die lokale Bevölkerung durch verschiedene Projekte zu stärken. 30 Prozent der Einnahmen fließen in lokale Projekte. „Der Kunde der zu uns kommt ermöglicht erst den Naturschutz“, so Lutzeyer. Gleichzeitig wird den Gästen ein schonender Umgang mit Ressourcen vermittelt.

Schützt die Natur durch Tourismus: Michael Lutzeyer (rechts).

Wirtschaftsfaktor Tourismus

Laut einer Studie des Bundesverbandes der Deutschen Tourismuswirtschaft e.V. ist jeder 15. Arbeitsplatz in Deutschland in der Tourismusbranche angesiedelt. Mit 290 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr befindet sich der Tourismus damit auf einer Stufe mit der Automobilbranche – Tendenz steigend. Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte den Tourismus bei ihrer Eröffnungsrede am 6. März ein ausgezeichnetes Beispiel für die Chancen der Globalisierung. Tourismus lebe von Weltoffenheit und belebe diese. Massentourismus hingegen sei „kein flächendeckendes Problem“, so der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Tourismuswirtschaft, Michael Frenzel. Dennoch sei die Branche gefordert, um nicht Opfer ihres eigenen Erfolgs zu werden.

 

Kommentar

Wenn heute erneut tausende Interessenten die größte Tourismusmesse der Welt besuchen, wird das Phänomen des Massentourismus auch in den Berliner Messehallen spürbar. Laut eigener Angabe machte die ITB im letzten Jahr 7 Milliarden Euro Umsatz. Erfreulich für die Messe und die Stadt Berlin, weniger erfreulich für die Umwelt – immerhin reisen Aussteller und Besucher aus über 180 Ländern an. Dass auf einer Tourismus-Messe, bei der die Gewinnmaximierung im Vordergrund steht, Naturschutz überhaupt thematisiert wird, liegt wohl nur daran, dass sich die Tourismusbranche ihrer Verantwortung für die Umwelt nicht länger entziehen kann. Seit 2009 ist der CSR-Sustainability Day fester Bestandteil des Messeprogramms. Verschiedene Veranstaltungen machen auf ökologische Verantwortung in der Reisebranche aufmerksam. Doch auch der Verweis auf Corporate Social Responsibility kann nicht über die Verbindung von Tourismus und Treibhausgasemissionen hinwegtäuschen. Die CSR-Beauftragte Rika Jean-­François kämpft da auf verlorenem Posten. Schließlich darf auf einer Messe, die auf Flug- und Schiffsreisen basiert, niemand zu laut sagen, dass diese den Kern des Problems bilden. Laut Prognose der UNWTO werden 2030 weltweit 1,8 Billionen Reisen stattfinden. Diese Kräfte in nachhaltigere Bahnen zu lenken, scheint ein Mammutprojekt zu sein, dem sich niemand so recht annehmen möchte. Reisen als Medium zur interkulturellen Kommunikation trägt zweifelslos zur Völkerverständigung bei, dennoch sind gerade Flugreisen in Maßen zu genießen. Wie so häufig beim Klimaschutz kommt es also auf das eigene Engangement an. Ein guter Anfang wäre es, sich den Schadstoffausstoß der nächsten Urlaubreise mal mit Rechnern wie atmosfair.de oder myclimate.org zu vergegenwärtigen oder vielleicht sogar eine längere Anreise per Auto oder Bahn in Kauf zu nehmen.