Die Digitalisierung kommt mit schwerem Gepäck (Ist eine digitale Welt überhaupt tragbar? – youthmag) So wie es jetzt ist, kann es nicht lange weitergehen. Es braucht neue Konzepte (und vor allem deren Umsetzung), um den digitalen Wandel nachhaltiger zu gestalten. Zu diesem Thema habe ich Thea Kleinmagd auf der IFA 2022 ein paar Fragen gestellt.
Wer sind Sie und was machen Sie beruflich?
Mein Name ist Thea Kleinmagd und ich bin im Fairphones Impact Innovation Team für alles zuständig, was mit Umwelteinflüssen und Kreislaufwirtschaft zu tun hat. Darunter fallen zum Beispiel auch Treibhausgase und was man tun kann, um die Emissionen von Elektronik, in unserem Fall speziell Smartphones, zu reduzieren.
Warum wurde Fairphone ins Leben gerufen?
Ursprünglich hervorgegangen ist Fairphone aus einer Kampagne, die sich mit Konfliktmineralien beschäftigt. Es war erstmal nötig, überhaupt festzustellen, was alles in den Lieferketten von Smartphones schiefläuft.
Uns war klar, dass da sehr viele Probleme sind, die aber nie jemand anspricht. Deshalb wurde damals beschlossen: wir müssen selber eine Firma werden, sodass wir Teil vom System sind und überhaupt wirklich die Eindrücke kriegen, die man braucht, um dann auch etwas verbessern zu können. Wenn man von außen Verbesserungsvorschläge liefert, erzählen einem die Hersteller nämlich immer, was alles nicht geht, aber wenn dann eine kleine Firma im System steckt und zeigen kann: „Hey, es geht doch besser“ haben die Firmen etwas, dass sie widerlegen müssen. Wir probieren zu inspirieren und möchten erreichen, dass Konsumenten die größeren Firmen fragen: „Warum könnt ihr das nicht auch?“
Was ist denn so schwierig daran, ein „faires“ und nachhaltigeres Smartphone zu entwickeln?
Einerseits ist es natürlich schwierig für eine kleine Firma, sich im System zu etablieren, da unsere Lieferanten meist viel, viel größer sind als wir und dementsprechend weniger offen auf unsere Vorschläge eingehen. An der Stelle ist es wichtig zusammenzuarbeiten. Auf der anderen Seite ist die Elektronikindustrie einfach unglaublich komplex. Wir haben mehrschichtige Lieferketten, die vom Bergwerk bis in das Smartphone bis zu 7 unterschiedliche Organisationen durchlaufen. Wenn man dann zum Beispiel an fairen Materialien arbeitet, muss man es erstmal schaffen, diese Lieferketten zurückzuverfolgen.
Problematisch ist auch, dass die Smartphone-Industrie darauf baut, dass Smartphones ungefähr 2-3 Jahre halten. Das heißt, dass alle Standardteile (wie ein USB-C Port zum Beispiel) auch darauf ausgelegt sind, nur 2- 3 Jahre zu halten. Es bringt also nichts, wenn man ausschließlich die Batterie austauschen kann, dann aber der Ladeanschluss nicht funktioniert. Alle standardisierten Teile müssen austauschbar sein.
Ein grundsätzliches Problem ist, dass Produkte größerer Hersteller gar nicht darauf ausgelegt sind, repariert zu werden. Sie sind in der Regel immer daran interessiert, dass die Kunden ein ganz neues Smartphone kaufen. Das ist das große Problem, das wir in der Smartphone-Industrie haben. 75% des Umwelteinflusses eines Smartphones wird während der Produktion verursacht, deshalb müssen wir auf eine möglichst lange Nutzungsdauer der einzelnen Smartphones hinarbeiten. Darauf ist das Business Model der meisten großen Hersteller allerdings absolut nicht angelegt.
Was macht ein Fairphone fair?
Fairphone beschäftigt sich mit 4 verschiedenen Themenfeldern: Nachhaltigkeit, faire Materialien, die Langlebigkeit der Produkte und fairen Arbeitsbedingungen. Bei uns auf der Website kann man online ganz einfach Ersatzteile bestellen. Mit dabei ist ein kostenloses Shippinglabel, damit man seine alten Teile zurückschicken kann. Ausgenommen davon ist allerdings die Batterie, weil Batterien als Gefahrengüter eingestuft sind und nur unter bestimmten Auflagen versendet werden dürfen, die man Konsumenten nicht auferlegen kann. Man benötigt geschützte Boxen und spezielle Labels. Kaum jemand würde sich die Arbeit machen. Des weiteren haben wir ein Reuse-Recycling-Programm, wo man bei uns Smartphones (nicht nur Fairphones) einreichen kann. Den Restwert bekommt der Nutzer über einen Gutschein zugeschrieben, nachdem der Zustand geprüft wurde.
An welche Zielgruppe richten sich Fairphones?
Wir erhalten öfter als Kritik, dass unsere Preise zu hoch sind, weil man ähnliche Spezifikationen zu niedrigeren Preisen findet. Wir stehen auch nicht im Wettbewerb mit anderen Firmen, wenn es um Tech-Specs geht. Wir versuchen nicht, das Smartphone mit der besten Kamera auf dem Markt herzustellen. Uns ist wichtig, dass jeder Ottonormalverbraucher zufrieden ist. Weil wir auch ein kleineres Unternehmen sind, liegen die Preise eben etwas über dem Durchschnitt, zumal wir auch höhere Löhne bezahlen.
Wir versuchen natürlich, dass Fairphones bezahlbar bleiben, damit wir eine möglichst breite Nutzerguppe erreichen können. Bis zur 3. Generation haben sich unsere Produkte eigentlich nur unter den „dunkelgrünen“ Konsumenten etabliert, damit meine ich Menschen, die sich tagtäglich mit ihren Kaufentscheidungen auseinandersetzen und sich sehr viel mit Nachhaltigkeit beschäftigen. Jetzt mit dem Fairphone 4 versuchen wir auch die „hellgrünen“ zu erreichen, also Menschen, die es schon cool finden, wenn etwas nachhaltig ist, aber nicht bereit sind, besonders viele Kompromisse zu machen.
Was haben sie bisher erreicht?
Das ist natürlich immer schwierig zu sagen, weil kein Unternehmen zugeben würde: Wir haben jetzt mal Fairphone gefragt, wie die das so machen und uns daran orientiert. Aber man sieht manchmal, dass deren Strategien überraschend ähnlich zu denen sind, die wir davor veröffentlicht haben.
Ein Beispiel, an dem man wirklich nachvollziehbar sagen kann, dass etwas in der Industrie passiert ist, ist die Fair Cobalt Alliance. Das ist eine Plattform die wir mit ein, zwei anderen Organisationen zusammen gegründet haben, um Kobalt aus der demokratischen Republik Kongo fairer zu machen. Es ist bekannt, dass es dort Kinderarbeit und furchtbare Arbeitsumstände gibt, weshalb viele Unternehmen sagen, dass sie damit nicht in Verbindung gebracht werden wollen und ihr Kobalt aus anderen Regionen beziehen. Gleichzeitig hängen 100 000de Menschen mit ihrem Einkommen am Verkauf von Kobalt. Das ist ihre Existenzgrundlage. Wir widmen uns mit der Fair Kobalt Alliance der Aufgabe, die Lieferketten im Kongo zu verbessern und transparenter zu machen. Nach dem Motto: Wir kriegen unser Kobalt aus dem Kongo, aber wir verbessern die Bedingungen vor Ort.
Natürlich kann man die Umstände nicht von einem auf den anderen Tag komplett verändern, aber wir investieren viel in das Projekt. Und seit der Gründung sind uns Unternehmen wie Tesla, Google und Teile von LG beigetreten. Inzwischen haben wir mehr als 20 Mitglieder.
Was würden Sie sich für die Zukunft wünschen?
Ich würde mir wünschen, dass Konsumenten bewusst nachhaltige Smartphones wählen und dann auch wirklich nachhaltige Angebote in Anspruch nehmen. Nur weil wir zum Beispiel über einen längeren Zeitraum Software-Updates anbieten, heißt das noch nicht, dass die Menschen das Smartphone auch lang genug behalten, um diese in Anspruch zu nehmen. Für viele Menschen kommt dann doch der Punkt, an dem sie sich lieber ein neues Smartphone mit den neuesten Features holen.
Da würde ich mir wünschen, dass Reparaturen zur Normalität werden und es cool wird zu sagen: „Hey, ich habe mein Smartphone schon seit 5 Jahren“ anstelle von: „Ich habe das allerneuste Smartphone das gerade gestern rausgekommen ist“.
Das Konsumenten auch wirklich ihr Recht einfordern, ihr Smartphone zu reparieren und es dann auch wirklich tun. Die Umstände müssen natürlich stimmen und daran arbeiten wir.
Aber auf den Rest haben wir keinen Einfluss mehr.
Natürlich wird Fairphone allein die Welt nicht retten. Deshalb ist es so wichtig, dass nicht nur Konsumenten und einzelne Akteure der Wirtschaft, sondern auch die Politik mit dem rasant fortschreitenden digitalen Wandel Schritt hält und ökologische sowie soziale Maßstäbe für die gesamte Wertschöpfungskette setzt.
Wenn ihr euch das Konzept von Fairphone im Detail ansehen möchtet, könnt ihr einmal auf der Website vorbeischauen: Fairphone | Die Welt hinter deinem Smartphone
Bildquelle: FACTORY | Fachmagazin für Produktion, Automatisierung, Maschinenbau &… (factorynet.at)