„Irgendwann saß ich vor dem Fernseher und war ganz baff. Ich habe in den Nachrichten eine Insel gesehen, da konnte man den Boden einfach nicht mehr erkennen – es war alles voller Müll. Das hat mich wachgerüttelt.“ Schlüsselmomente wie diesen hatten einige Teilnehmer des Workshops „Vom Wissen zum Handeln – Anregungen mit dem Germanwatch Handprint“ in der Vergangenheit. Auf Anregung von Workshop-Leiter Stefan Rostock berichteten sie zu Beginn von ihrer persönlichen Motivation, sich für Nachhaltigkeit einzusetzen.

In dem Workshop gab es vor allem Fakten rund um das Thema Klimawandel und Nachhaltigkeit. Außerdem diskutierten die Teilnehmenden über Ansätze aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, um nachhaltige Entwicklung voranzutreiben. Stefan Rostock, NRW-Fachpromoter für Klima und Entwicklung bei „Germanwatch“ in Bonn, zeigte den Teilnehmenden eine Simulation der prognostizierten globalen Temperaturen in den nächsten Jahrzehnten: Die Zahlen schossen innerhalb weniger Sekunden in die Höhe. Am Ende stand eine mögliche Erderwärmng von mehr als 3 Grad bis zum Jahr 2100, bei einer Bevölkerung von zehn Milliarden Menschen weltweit. Rostock erklärte, das sei das Worst-Case-Szenario, das bei einer fehlenden Klimapolitik und der verstärkten Nutzung von fossilen Brennstoffen durch Schwellenländer zu erwarten sei.

Im besten Fall aber – bei ambitionierter Klimapolitik zuerst in den Industrie-, dann in den Schwellenländern – werde die Temperatur bis 2100 bei einem minimalen Bevölkerungsanstieg unter 2 Grad Celsius bleiben. Bedingung dafür wären die ernsthafte Umsetzung der Klimaziele in der nationalen Politik und ein auf Nachhaltigkeit bedachtes Wirtschaften und Handeln. Rostock zeigte Bilder und Grafiken von den größeren Naturkatastrophen der letzten Wochen wie die Hurricans in Nordamerika und den Monsun in Südasien und machte klar, dass sie im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Klimawandel stünden.

 Schon unsere Großeltern konnten Nachhaltigkeit

Die Teilnehmenden sollten aber nicht nur gespannt zuhören, sondern auch aktiv mitmachen: Ihre Aufgabe war es, zu überlegen, wie man Bildung für nachhaltige Entwicklung (BnE) richtig kommunizieren kann, um mehr Menschen zu erreichen. In der Diskussion wurde deutlich, dass der Bezug jedes einzelnen Menschen zum Klimawandel in den Mittelpunkt gerückt werden muss, wenn man ernsthaftes Interesse an dem Thema wecken möchte. Außerdem stellte die Gruppe fest, dass Menschen meist nur über Emotionalität, nicht aber über harte Fakten erreicht werden können. Der Behauptung, ältere Leute täten sich schwer, ihre Lebensgewohnheiten im Alter zu ändern, setzte Hanna Kreuz (19) entgegen: „Wir vergessen, dass unsere Großeltern das alles schon können!“ Sie erinnerte daran, dass diese Generation durch Krieg und Umstände der damaligen Zeit gezwungenermaßen nachhaltiger gelebt hat – die Kleidung wurde selber gestrickt, Windeln gab es nur in der waschbaren Variante und der Umgang mit Nahrungsmitteln war wertschätzender als heute. Einig waren sich in der Runde alle darin, dass Bildung für nachhaltige Entwicklung schon früh gelernt und vermittelt werden muss – in der Schule definitiv, aber vielleicht auch schon im Kindergarten.

BnE in der Schule – nur ein Anfang

Stefan Rostock machte aber ebenso klar, dass Vermittlung von sozialer Nachhaltigkeit nicht in der Schule enden darf: „Die Bildung für nachhaltige Entwicklung muss politischer werden.“ Jugendliche müssten darin befähigt werden, Nachhaltigkeit zu leben – im Verein, daheim, wo auch immer. Das Thema solle in der Schule deshalb fächerübergreifend behandelt werden.

Besonders intensiv sprachen die Teilnehmenden über die Rolle der Politik im Nachhaltigkeitsprozess und die Aufgaben anderer Gesellschaftsmitglieder. Rostock  erklärte, dass nur ein konsequentes Umsteuern aller Teilsysteme zu langfristigen Erfolgen führen könne. Also der Politik, der Wirtschaft, der Finanzmärkte, der Wissenschaft und des Rechtssystems. Über Möglichkeiten des Dialoges mit der Politik – der wahrscheinlich mächtigsten Säule – wurde daher sehr lange gesprochen.

Politische Aufmerksamkeit bekommen – aber wie?

„Ich habe einmal einen Workshop in einer Schule gegeben. Dort meinten die Schüler, sie hätten ja eh alle keine Ahnung von Politik, das sollten mal lieber die Erwachsenen machen – die hatten richtig Angst, mitzureden“, sagte eine Teilnehmerin. Die Workshop-Gruppe erarbeitete deshalb eine Liste mit Möglichkeiten, sich politisch für die BnE einzusetzen und Politiker damit zu konfrontieren.

Neben Demonstrationen, Blockaden und Boykotten von nicht sozial und ökologisch produzierten Gütern fand die Gruppe es wichtig, bewusst wählen zu gehen. Das bedeutet, sich die Wahlprogramme der Parteien in Hinblick auf ökologische Ziele anzusehen, aber auch darauf zu achten, wie die Parteien in der Vergangenheit tatsächlich gehandelt haben. Auch eine direkte politische Beteiligung durch die Mitgliedschaft in den Jugendorganisationen von Parteien oder Briefaktionen an Politiker waren unter den Ideen. Für Leute, die mehr unter den „normalen“ Bürgern bewegen wollen, gab es den Vorschlag, sich gegenseitig in Gesprächen aufzuklären und eigene Workshops und Informationsveranstaltungen zu organisieren.

Der Germanwatch Hand print – Gegenstück zum ökologischen Fußabdruck

Was hat es mit dem Germanwatch Handprint auf sich? Die Teilnehmenden erfuhren, dass er sozusagen das Gegenstück zum ökologischen Fußabdruck ist: Er macht messbar, wie unsere einzelnen Handlungen und Maßnahmen die Umwelt positiv beeinflussen. Der Handabdruck setzt sich aus Aspekten der eigenen Lebensweise zusammen – Aktionen für die Nachhaltigkeit machen ihn größer. An Projektideen, die diesen ökologischen Handabdruck vergrößern, mangelte es nicht: So hat etwa Linda Lies (18) die Idee, einen Lauf zu veranstalten, bei dem jeder Läufer ein T-Shirt mit einem aufgedruckten Entwicklungsziel trägt. Der Hintergedanke: Auf die Weise könne man die sogenannten SDG (Sustainable Development Goals) in der Gesellschaft bekannter machen und zeigen, wie wichtig sie für einen selbst sind.

Etwas größer angelegte Ideen sind die ausschließliche Nutzung von recyceltem Papier in Schulen und die Vergünstigung von Fahrtickets, um öffentliche Verkehrsmittel für jeden nutzbar zu machen. Von einem kompletten Verbot der privaten Autonutzung, wie es einige Akteure in der Nachhaltigkeitsdebatte in Medien und Gesellschaft fordern, war im Workshop aber nicht die Rede. Rostock sieht die Lösung darin, die öffentlichen Fortbewegungsmittel und den Radverkehr so attraktiv zu machen, dass sich das Autofahren nicht mehr anbietet. Bei ihren Ideen für nachhaltige Projekte stellten die Teilnehmer auch fest, dass noch einige Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen, um solche Projekte umsetzen zu können. Genügend machtvolle Akteure, die dahinterstehen, finanzielle Ressourcen und ausreichendes Wissen in dem Bereich waren einige der Knackpunkte.