Klippe des Tagebaus Lüzerath

Das 1,5 Grad Ziel. Darunter verstehen wir die Begrenzung des menschengemachten globalen Klimawandels durch den Treibhauseffekt auf 1,5 Grad Celsius. Was ein kleines Dorf in der Nähe von
Erkelenz damit zu tun hat, was die Politik derzeit macht und warum der Erhalt dieses Dorfes so wichtig ist, erkläre ich hier.

Die Fakten sind relativ klar. Wenn wir unsere Energiepolitik nicht zügig umlenken, sind alle Bemühungen die 1,5 Grad Grenze einzuhalten und damit die Auswirkungen der Klimakatastrophe
einzudämmen, gescheitert. Seit nun mehr Jahrzehnten fordern Wissenschaftler:innen, Betroffene und Aktivist:innen, mit sofortiger Wirkung Kohle, Öl und Gas zu stoppen.

„Jetzt ist es an der Zeit, die Wut in Taten umzusetzen, jeder Bruchteil eines Grades zählt.“ – UN-Generalsekretär Guterres bei der Vorstellung des Weltklima-Berichts 2022

Das kleine Dorf Lützerath ist ein Weiler der Stadt Erkelenz in Nordrhein-Westfalen und befindet sich genau neben dem Tagebau Garzweiler. Deutschlands Verantwortung in Lützerath ist offensichtlich. Das Rheinische Kohlerevier stellt Europas größte CO2-Schleuder da. Dabei plant der Energiekonzern RWE zwischen Aachen, Köln und Düsseldorf mehrere hundert Millionen Tonnen Kohle abzubauen und zu verbrennen. Unter Lützerath ist die Kohleschicht besonders groß. Deshalb veranlasste sie RWE dazu, das Dorf zu enteignen und eine Ausweitung des Tagebaus Garzweiler zu Garzweiler 2 anzuordnen. Alleine durch den Erhalt des Dorfes könnte schnell und einfach CO2 eingespart werden, da diese Mengen an verbrannter Kohle nicht mit dem 1,5 Grad Ziel vereinbar sind.

Auch die Nachwuchsorganisation der Grünen in NRW wird laut. Diese sprechen sich zwar nicht gegen den verkündeten Ausstieg aus der Braunkohle im Jahr 2030 aus, kritisieren allerdings den Kompromiss den RWE, der Bund und das Land geschlossen haben. So verkündete die Landwirtschafts- und Klimaschutzministerin Mona Neubaur (Grünen), dass das leergezogene Dorf Lützerath beim Tagebau Garzweiler 2 den Braunkohlebaggern tatsächlich zum Opfer fallen soll. Die darunter liegende Kohle soll noch genutzt werden. Die Grüne Jugend hält dies mit Blick auf die Klimaziele für falsch. So äußerte sich Rênas Sahin, Sprecher der Grünen Jugend NRW:

„Hier wurde eine Flanke geöffnet, die man nicht hätte öffnen müssen. Grüne sind auch deswegen stark, weil man eng mit der Klimabewegung zusammengearbeitet hat. Eine Entscheidung zu treffen, die klimapolitisch höchst fragwürdig ist und die dazu führt, dass man Klimaziele vermutlich reißen wird, ist neben den globalen Folgen auch für das Gefüge in der Partei nicht gut.“

Auch befürchtet er, dass man wieder auf eine Situation wie 2018 im Hambacher Forst zusteuern könnte. Ein großer Polizeieinsatz gegen wütende Demonstranten.

Banner mit der Aufschrift "Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht" im Tagebau Lüzerath

Auch andere Kleinparteien wenden sich gegen die Verkündungen der Schwarz-Grünen Regierung. So hat sich auch die Piratenpartei Deutschland gegen einen Abriss von Lützerath positioniert.

„Der angebliche “Kompromiss” zwischen Kohleausstieg 2030 und dem Abbaggern von Lützerath ist mehr als faul. Braunkohle ist eine der schmutzigsten Energieformen – Klima, Umwelt, aber auch die Gesundheit der Menschen vor Ort sind die Leidtragenden. Aufgrund der Folgen des Klimawandels ist es absolut inakzeptabel, dass Braunkohle jetzt die Lösung sein soll. Braunkohleabbau hinterlässt tiefe Wunden in der Landschaft. Daher werden wir nicht zulassen, dass ein weiterer Ort geopfert wird.“, so Anne Herpertz, Vorsitzende der Piratenpartei Deutschland

Neben dem was beschlossen wurde, kritisieren viele Grüne vor allem, wie es zu dem Beschluss kam. Die Treffen von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grünen), Ministerin Neubaur (Grünen) und dem RWE-CEO Markus Krebber waren geheim. Auch Bundestags- und Landtagsabgeordnete erfuhren wohl erst kurz vor der Pressekonferenz das Ergebnis.

Michael Zobel, seit rund 20 Jahren Mitglied bei den Grünen, hat sich einen Namen gemacht rund um die Tagebaue. Bei 100 Wald- und Dorfspaziergängen, durch den Hambacher Forst und durch die Dörfer am Tagebau hat er den Protest gegen Braunkohletagebauten angeführt. Jetzt ist er aus der Partei ausgetreten.

Bislang stellt dies einen Einzelfall da. Eine Austrittswelle gibt es in der Partei aktuell nicht, dafür aber eine Menge Diskussionsbedarf über Energieformen und den Kohleausstieg. Für die Ergebnisse dieses Diskurses gilt es den Grünen Parteitag abzuwarten.

Eines ist jedoch sicher: Das Thema Kohleausstieg, Energieformen und auch der Erhalt des Dorfes Lützerath sind noch nicht vom Tisch. Die Aktivist:innen vor Ort werden um das Dorf kämpfen. Und die Frage: „Was darf RWE noch?“ bleibt vorerst unbeantwortet.


Bildrechte: Sven Bechen