Die Grundsituation

Soziale Ungleichheit – eins der vielen Themen, das seit Jahren in Deutschland von Politiker:innen diskutiert wird. Man sollte ja meinen, dass durch verschiedenste Maßnahmen (z.B. Umverteilung) das Problem allmählich behoben sein sollte. Neben der Tatsache, dass seit mehreren Jahrzehnten das Sinnbild der sich öffnenden Schere zwischen Arm und Reich so gut wie jedem:jeder bekannt ist, trifft dieses leider auch auf die Realität zu: laut Studien der Hans Böckler Stiftung und anderen Forschenden ist die soziale Mobilität relativ gering. Somit bleiben oft reiche Menschen reich, die armen Menschen arm und der soziale Status der Kinder hängt stark vom Elternhaus ab.

Und eben marginalisierte Gruppen, also die Randgruppen einer Gesellschaft, haben mit dieser Ungleichheit ziemlich zu kämpfen. Sie sind diejenigen, die aufgrund von Faktoren, die meist außerhalb ihrer Kontrolle liegen, nicht die gleichen Chancen haben, wie andere Gruppen. Dazu zählen zum Beispiel Arbeitslose, Familien mit vielen Kindern oder geflüchtete Personen. Dies sind ebenso die Gruppen, die ein erhöhtes Armutsrisiko haben und meist ein geringeres Einkommen erhalten. Schon vor der Corona-Pandemie waren die Spannungen und Differenzen in der Bevölkerung spürbar und durch die akute ökonomische Krise verbessert sich die Situation natürlich kein bisschen für die Betroffenen.

Die Auswirkungen der Pandemie

Die Corona-Pandemie hat uns die Folgen von Problemen in unserem System deutlich gemacht; angefangen beim jahrelangen Personalmangel in der Pflege bis hin zur mangelnden Digitalisierung und Ausstattung der Schulen. Ebenso ist die soziale Ungleichheit noch deutlicher zu erkennen. Im Datenreport 2021 werden unter anderem die Auswirkungen von Corona aufgegriffen. Anhand verschiedener Statistiken zeigt sich, wie unterschiedlich die Pandemie beispielsweise die Einkommensgruppen trifft. Zum einen ist die Kurzarbeit in der unteren Einkommensgruppe weniger verbreitet als in der mittleren. Es haben auch nur Personen Zugang zum Kurzarbeitergeld, wenn diese sozialversicherungspflichtigen Tätigkeiten nachgehen. Somit sind Minijobber mit einem geringen Verdienst ausgeschlossen. Schon im Jahr 2018 haben deutlich mehr Menschen, die 2600€ netto oder mehr pro Monat verdienen, viel häufiger das Homeoffice genutzt im Gegensatz zu Menschen, die weniger verdienen. Und auch heute ist es so, dass meist Personen mit höheren Einkommen besser für das Homeoffice ausgestattet sind, als schlechter Verdienende. Eine weitere Statistik im Datenreport, die den Zeitraum vom 31. März bis 4. Juli 2020 umfasst, zeigt, dass Menschen mit direktem oder indirektem Migrationshintergrund eher von einer Verminderung des Haushaltseinkommens, einem finanziellen Verlust sowie Arbeitsverlust in dieser Zeit der Pandemie betroffen sind. Aus einer anderen Statistik lässt sich herauslesen, dass sich genau in diesem Zeitraum besonders Menschen aus dem einkommenschwächsten Teil der Bevölkerung in Heimquarantäne befanden. Des Weiteren ist dieser Anteil auch stärker von Einkommens- und Arbeitsplatzverlust betroffen.

Allein aus diesen Studien lässt sich vor allem eins schlussfolgern: Wer ohnehin schon wenig Geld zur Verfügung hatte, muss während der Pandemie noch weitere Verluste einstecken, sei es jetzt das fehlende Privileg sich im Homeoffice vor einer Ansteckung zu schützen oder den finanziellen Verlust. Genau so sollte es eben nicht sein. Somit werden beispielsweise kinderreiche Familien mit geringem Einkommen oder arbeitsunfähige Personen noch weiter von der Gesellschaft abgegrenzt. Zusätzlich zu dem meist geringem Einkommen der Randgruppen, kommt nun also auch noch die gesundheitliche Komponente hinzu: diese Menschen haben durch das mangelnde Geld nicht so gute Möglichkeiten sich vor einer Infektion zu schützen wie andere. Eine kinderreiche und unterdurchschnittlich verdienende  Familie, die auf engem Raum lebt, sich nicht qualitativ hochwertige Masken, sensible Tests und Desinfektionsmittel für jedes Familienmitglied leisten kann, ist beispielsweise nicht so gut geschützt, wie eine nicht kinderreiche Familie, die besser verdient, wo die Eltern im Homeoffice arbeiten können und sich die besten Masken und Tests leisten können. Neben der Tatsache, dass immer die gleichen Menschen Nachteile in solchen schweren Krisen haben, kann laut dem RKI der fehlende Zugang zu Versorgung und Information für die marginalisierten Gruppen die Effektivität der Infektionsschutz- und Präventionsmaßnahmen für alle beeinträchtigt werden.

„Das sind besorgniserregende Unterschiede im Sterberisiko. Die Gesundheitspolitik muss das stärker in den Blick nehmen.“- Linda Supik (Co-Autorin einer Studie des Deutschen Mediendienstes Integration)

Bisher gibt es nicht viele Zahlen und Daten, die belegen, dass Menschen in Deutschland aufgrund rassistischer Beweggründe eine schlechtere Gesundheitsversorgung erfahren. Es gibt aber eine Statistik, die den Anstieg der Todesfälle in Deutschland in ausgewählten Altersklassen für das Jahr 2020 im Vergleich zu 2019 verdeutlicht. Hierbei wir auch noch zwischen deutscher und ausländischer Staatsangehörigkeit unterschieden. Auffällig hierbei ist, dass der Anstieg bei Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit immer mindestens zwei mal, maximal neun mal so hoch ist, wie bei Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit. Bei den Unterschieden könnte man meinen, es handle sich um zwei Bevölkerungen und nicht um eine.

Ebenso wird die Gesundheitsversorgung beim Afrozensus 2021 aufgegriffen. Durch eine Befragung wird schnell deutlich, dass rassistisch diskriminierte Menschen in Deutschland nicht nur wegen prekärer Lebensumstände stärker von Infektionskrankheiten betroffen sind. Über 64% der Befragten gaben an, dass sie Diskriminierung im Bereich Gesundheit und Pflege erfahren haben. Oft soll hier aber die Sprachbarriere auch die Behandlung sehr erschweren und zu einer Diskriminierung in der Kommunikation führen.

Anhand dieser Zahlen kann man darauf schließen, dass rassistische Strukturen auch in Deutschland dazu führen, dass rassistisch diskriminierte Menschen Nachteile in der Gesundheitsversorgung erleben und härter von Infektionskrankheiten getroffen werden. Aber um genauere Aussagen treffen zu können, müsste man mit einer systematischen Datenerhebung beginnen.

„Die Studienergebnisse unterstreichen die ungleichen Auswirkungen der Pandemie auf benachteiligte Gruppen.“ – José Manuel Aburto (Wissenschaftler)

Nicht nur hier gibt es Ungleichheiten in der Gesundheitsversorgung. Die Universität Oxford hat eine Studie veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass in den USA der Rückgang der Lebenserwartung bei von Rassismus betroffenen Personen extremer ist als bei nicht betroffenen Personen. Es wurden umfangreiche Daten aus dem Jahr 2020 ausgewertet und die Entwicklung der Lebenserwartung wurde mit den Trends seit 2010 verglichen. Demnach ging die Lebenserwartung von hispanischen und schwarzen US-Amerikanern deutlicher zurück als die von weißen. Sie sank im Jahr 2020 am stärksten bei hispanischen und schwarzen Männern, nämlich um 4,5 beziehungsweise 3,6 Jahre, während es bei weißen Männern 1,5 Jahre waren.

Und nun?

Die Regierung muss sich dafür einsetzen, dass alle die gleiche Gesundheitsversorgung erhalten. Zum einen kann damit die Pandemie viel besser und effektiver eingedämmt werden und zum anderen wird die Ungleichheit und die damit verbundene Ungerechtigkeit minimiert. Eine komplette soziale Gleichheit ist mit Sicherheit utopisch, aber eine Annäherung an dieses Ziel ist nur durch effektivere Maßnahmen seitens der Regierung möglich. Unsere Gesellschaft ist ganz klar gespalten, sie muss weitestgehend wieder eine Einheit werden, um interne Spannungen zu reduzieren. Jeder verdient es, die Möglichkeit zu haben, eine gute Gesundheitsversorgung oder Bildung zu erhalten – ganz unabhängig von Herkunft, Einkommen oder Geschlecht. Zwar mag es hier in Deutschland schon besser zu laufen, als in anderen Staaten, aber es ist noch lange nicht optimal. Genau daran muss gearbeitet werden.

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