Das Internationale Frauenfilmfestival ist ein Ort für feministische Perspektiven – intersektional gedacht und mit einem Blick auf Mehrfachdiskriminierungen. Es ist unbequem für Privilegierte, magisch (nicht im Fantasy-Sinn) und höchst politisch – ein Spiegel unserer globalen Situation. Für mich als Journalistin war es ein Raum voller intimer, eindrucksvoller Momente, die es wert sind, geteilt zu werden. Denn hier geht es nicht um bloße Unterhaltung. Es geht ums Berühren, Erinnern und Fordern.

Der Eröffnungsfilm „Die Möllner Briefe“ von Martina Priessner hat genau das eindrucksvoll gezeigt: dass auch leise, lange überhörte Geschichten in den Mittelpunkt rücken können. Eingeleitet von Festivalleiterin Maxa Zoller, wurde der Film als Auseinandersetzung mit einer Erinnerung erzählt, die viel zu lange unterdrückt wurde – die Briefe an die Familie Arslan und andere Familien, die 1992 Opfer des rassistischen Brandanschlags in Mölln wurden. Die Angehörigen sprechen selbst. Es ist ein intimer, schmerzhafter, ruhiger Film – der mehr über Deutschlands sogenannte Erinnerungskultur sagt als so mancher politische Diskurs. Alle weiteren Filme, die ich sehen durfte, spiegelten eine große Vielfalt an Themen, Sprachen, Perspektiven und ästhetischen Zugängen wider.

„Odrešitev za začetnike (Family Therapy)“ von Sonja Prosenc erzählt ein familiäres Drama, das patriarchale Strukturen in einem psychologischen Kammerspiel offenlegt. Schweigen wird zur Last – besonders für die Frauen. Der Film geht auf eine Kindheitserinnerung der Regisseurin zurück: ein brennender Motor, Menschen, die einfach weiterfahren. Diese Frage – warum niemand hilft – zieht sich unterschwellig durch den gesamten Film. Auch zwischen den Protagonist*innen herrscht anfangs eine Kälte, die erst nach und nach aufbricht. Zwei Familien treffen aufeinander, geprägt von Misstrauen, Vorurteilen, Erwartung – aber auch vom Wunsch nach Verbindung.

In „Le pays à l’envers“ begibt sich Sylvaine Dampierre auf eine essayistische Spurensuche nach Herkunft, Geschichte, Identität. Dabei geht es auch um die Bedeutung von Namen – und wie Frauen sie nie wirklich besitzen: der Mädchenname ist der des Vaters, später oft der des Ehemanns. Der Film erzählt in leisen Tönen, über Körper, Sprache und Erinnerung. Besonders berührt hat mich der Satz: „Women merge their soul in nature“. Geschichte kann verloren gehen – oder so tief verborgen sein, dass sie sich erst über Tanz, Bewegung und intime Erzählungen wieder zeigt. Rassismus wirkt weiter – bis in den Selbsthass.

Ein persönliches Highlight war das Special von Yasemin Samdereli mit ihrem Film „Samia“. Ein unbequemer, mitreißender Film, den ich sofort meinen Freund:innen zeigen möchte. Die Liebe und der Stolz des Vaters tragen Samia durch den Film, ohne dass ich zu viel spoilern möchte. Nettigkeit wird als Schwäche gelesen, das Laufen als männlich und verboten – und doch kämpft Samia für ihre Leidenschaft. Die Frauenfiguren in ihrer Familie sind stark, laut, kämpferisch – sie wissen, was es heißt, sich im Patriarchat zu behaupten.

„El Mártir“ von Alejandro Mathé – mit Kamerafrau Zoe Dumas – setzt sich visuell und emotional mit queerer Identität und religiösem Körperbild auseinander. Der Film ist verstörend, ästhetisch stark und wurde zurecht mit dem FEMALE GAZE Award ausgezeichnet. Er hinterfragt psychologische und spirituelle Innenwelten und schafft Räume für queere Körper, die sonst unsichtbar bleiben.

Angeknüpft an das Thema Queerness und Erinnerung war „Familiar Places“ von Mala Reinhardt. Der Film zeigt, wie emotional und persönlich Erinnerungsarbeit sein kann – und wie sie mit der eigenen Identität verknüpft ist. Was bedeutet es, sich selbst und andere zu erinnern – und gleichzeitig politisch sichtbar zu machen? Was mich an Film immer wieder bewegt, ist diese Intimität. Gute Filme lassen uns nicht nur zusehen – sie lassen uns mitgehen. Mitfühlen. Sie machen wütend, traurig, hoffnungsvoll. Manchmal alles gleichzeitig. Sie holen politische Themen aus dem Kopf ins Herz – spürbar, nah, echt.

Das wurde mir auch beim Sarajevo Filmfestival 2024 auf eindrückliche Weise bewusst. Es war eines der schönsten Erlebnisse, die ich bisher machen durfte. Viele Regisseur:innen waren persönlich vor Ort, beantworteten Fragen, sprachen offen über ihre Arbeit. Die Gespräche waren ehrlich, emotional – genauso wie die Filme. Man spürt: Das sind keine Produkte. Das sind persönliche Werke. Filme von sogenannten „kleineren“ Künstlerinnen haben für mich oft eine viel größere Tiefe als große Blockbuster – auch wenn ich Mainstream-Kino mag. Aber hier entsteht etwas anderes: Nähe. Verletzlichkeit. Kunst ohne Kompromiss. Film wird für mich immer eine der tiefgreifendsten Kunstformen bleiben – eine, die diese Welt dringend braucht. Und Festivals wie das Internationale Frauenfilmfestival schaffen den Raum dafür. Für politisches Kino, für Sichtbarkeit, für Kunst als Haltung. Für mich war dieses Festival nicht nur ein Recherche-Ort, sondern Inspiration, Faszination und eine Erinnerung daran, warum Filme mehr als Unterhaltung sind – und sein müssen.



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