„Wie bitte? Kinder hassen, das ist doch völliger Unsinn! Kinder sind doch total süß und wichtig, schließlich sind sie die Zukunft.“ Ja, das mag sein, doch wie wir alle wissen, wird die Zukunft mit all ihren Problemen auch gerne mal unter den Tisch gekehrt.

Beginnen wir aber erst einmal mit der Vorstellung, wie es Kindern in Deutschland nach dem Gesetz gehen sollte:

Vorstellung

Zu Beginn ist wichtig zu erwähnen, dass im Grundgesetz keine Kinderrechte miteinbegriffen sind, die ausschließlich Kinder betreffen. Es enthält lediglich Regelungen, in denen Kinder erwähnt werden. (Das schreit förmlich nach Doppelmoral, wenn man sich das Recht des Kindeswohlvorrangs anschaut, welches ich etwas weiter unten erwähne.) So besagt Artikel 6 folgendes:

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur aufgrund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Das ist alles, was sich im Grundgesetz zu Kindern finden lässt. Jedoch gibt es das sogenannte Sozialgesetzbuch (SGB VIII), in welchem es ganz explizit um Kinder- und Jugendhilfe geht. Zusätzlich gibt es die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen. Diese enthält …

Ein Diskriminierungsverbot: Es soll nicht zulassen, dass Kinder aufgrund ihres Aussehens, ihrer Herkunft, Kultur oder ihrem Glauben schlechter behandelt werden.

Das Recht auf Leben: Kinder haben ein Recht darauf, Essen, warme Kleidung und ein gutes Zuhause zu haben.

Das Recht auf persönliche Entfaltung: Kinderarbeit ist verboten, sie sollen ihrem Alter entsprechend leben dürfen.

Das Beteiligungsrecht: Kindern muss ein offenes Ohr geboten werden und es sollte nach ihren Bedürfnissen gefragt werden.

Der Kindeswohlvorrang: Kinderrechte sind wichtiger als normale Rechte, da Kinder sich selbst nicht ausreichend beschützen können.

Außerdem hat jedes einjährige Kind seit 2013 ein Recht auf einen Betreuungsplatz. Die Schulpflicht verspricht den Kindern danach eine Schullaufbahn von mindestens neun Jahren, in denen sie auf die Welt vorbereitet werden sollen.

Wirklichkeit

Aber wie sieht die Wirklichkeit aus? Haben Kinder wirklich die Rechte, welche ihnen per Gesetz zugesprochen werden? Ach, was frage ich denn so blöd, natürlich… nicht! Und um das zu erläutern, fange ich mal ganz am Anfang an: Ein jede schwangere Frau hat ein Recht auf eine Hebamme, das ist gesetzlich festgelegt. Nur gibt es einfach viel zu wenige. Und auch Nachsorgehebammen werden rar, jede fünfte Frau nimmt keine in Anspruch. Nicht, weil sie es als unnötig erachtet, sondern weil sie monatelang suchen muss. Wenn schon im Anfangsstadium des Kindergebärens Probleme auf die jungen Eltern zukommen, macht es das Kinderkriegen alles andere als attraktiv und lässt es als Bürde erscheinen. Und das ist schade, denn schließlich sind Kinder unsere Zukunft. Wir müssen ihnen die Welt zeigen und erklären, damit sie später nicht dieselben Fehler machen wie wir.

Wenn wir gerade schon bei der Betreuung der Kinder sind, gehen wir doch einen Entwicklungsschritt weiter: Ganztagsbetreuung für zwei- bis siebenjährige oder auch „Kita“ genannt. Für Kinder unter drei Jahren fehlen demnach bundesweit etwa 266.000 Plätze, laut Angaben des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Im Vergleich waren es 2019 noch etwa 100.000 Plätze weniger. Es tut sich also etwas, jedoch warnt der IW-Studienautor Sido Geis-Thöne davor, dies jetzt als Entwarnung zu betrachten. Schließlich wurden aufgrund der Pandemie weniger Plätze in Anspruch genommen und durch den Ukraine-Russland-Krieg kommen ebenfalls wieder eine Menge Kleinkinder zu uns, die irgendwo untergebracht werden müssen.

Doch leider hört es hier nicht auf, auch in der Schullaufbahn treten einige Schwierigkeiten auf. Der Lehrermangel macht allen schwer zu schaffen. Bis 2035 werden laut Prognosen der Kultusministerkonferenz etwa 23.800 Lehrkräfte für Kinder und Jugendliche fehlen. So kommt es dazu, dass sogenannte Quereinsteiger benötigt werden. Diese sind keine ausgebildeten Pädagoginnen und Pädagogen, aber so schlimm dies nun klingen mag – besser als nichts. Vor allem die Kinder aus der Ukraine haben derzeit große Probleme, sie finden nämlich keine Schulplätze. Neben dem Personalmangel lässt sich aber auch das gesamte Schulsystem, welches für die jungen Menschen angelegt ist, anzweifeln. Ist es wirklich ein gutes Konzept, die Kinder auf Leistung zu trimmen, ihre Qualitäten nach Noten zu ordnen, ihnen Stress zu machen und möglichst viel Wissen in kürzester Zeit in ihre Köpfe zu hämmern? Ist es wirklich ein gutes Konzept, den introvertierteren Schülerinnen und Schülern zu vermitteln, sie müssten sich ändern und den Unkreativen und Unsportlichen ihre Zeugnisse oder gar ihren Abiturdurchschnitt in Mitleidenschaft zu ziehen? Wie viele Kinder freuten sich am ersten Schultag total auf die Schule? Wie viele freuten sich in der Mittelstufe? Und da haben wir es. Wie oft habe ich Mitschülerinnen und Mitschüler genervt sagen hören: „Boah, ich hab jetzt echt gar keinen Bock auf Chemie“ oder vor allem in Mathematik: „Diese verdammten Folgen und Grenzwerte brauch‘ ich doch eh nie wieder“. Sollten nicht allein diese Aussagen erschreckend genug sein? Dass junge Menschen in der Schule sitzen und nicht einmal verstehen, was sie da machen? Wenn junge Menschen lernen sollen, brauchen sie doch einen Sinn, einen Grund, warum es die Mühe, die Zeit, die Energie wert ist? Meine Mutter denkt sich ja schließlich auch nicht, wie viel Lust sie jetzt hat, die Toilette zu putzen. Nein, sie denkt an den Sinn: Danach ist die Toilette für alle im Haus lebenden Menschen und/oder Gäste sauber. Aber das, was mich selbst am meisten mitnimmt, ist der Fakt, dass ich hin und wieder den Spaß am Lernen in der Schule verliere. Ich liebe es, Neues kennenzulernen und mir Wissen anzueignen, da ich mich dadurch in der Welt sicherer fühle. Doch durch den ständigen Leistungsdruck, den Stress, die vielen Arbeiten hintereinander gepaart mit Tests, Langzeitaufgaben und Präsentationen rauben mir Atem und Motivation. Das finde ich sehr schade, dann das ist nicht das Lernen, was ich mit erwünscht habe. Ich lerne rein gar nichts, wenn ich mir den Stoff der letzten Wochen in den Kopf schlage, um dann nach der Klausur/Arbeit alles wieder zu vergessen. Natürlich ist der Zeitdruck auch mir geschuldet, jedoch ist es schwer sich die Zeit richtig einzuteilen, wenn man die Woche davor bereits zwei Arbeiten geschrieben hat und am Wochenende einen Familienausflug macht. Aber das ist nicht alles: Etwa jedes dritte Kind leidet unter depressiven Verstimmungen. Das sagen die Ergebnisse der DAK-Leuphana-Studie. Dabei sind Auslöser für die Probleme meist Schulstress und hoher Leistungsdruck. Und neben diesen Faktoren müssen die Kinder und Jugendlichen auch noch ihren Hormonhaushalt regeln und aushalten. Und hier mache ich nun einen Übergang zu meinem letzten Punkt: Kinder in der Pandemie. Die Corona-Politik zeigte ganz eindeutig, wie viel Wert unsere Gesellschaft auf Kinder legte. Die Lockdowns setzten den jungen Menschen schwer zu. Der Anteil psychisch belasteter Kinder und Jugendlicher verdoppelte sich während der Pandemie von 15 auf 30 %. Dies teilt die COPSY-Studie des Hamburger UKE mit. Chronische Bauch- und Kopfschmerzen, Schlafstörungen und Essstörungen sind ebenfalls besorgniserregend häufiger geworden. Diese Folgen sind keinesfalls verwunderlich, wenn man sich überlegt, wie wichtig der Kontakt zu anderen Gleichaltrigen, Bewegung im Freien und abwechslungsreiche Tagesabläufe sind. Und wenn schon den Erwachsenen, die nur zu Hause herumsitzen, das Dach auf den Kopf fällt, wie war das wohl für Grundschulkinder, die die Energie einer niemals auslaufenden Batterie zu haben scheinen. Was sich jedoch als schockierend entpuppt, ist, dass Kinder laut einer Studie der Universität Leipzig und Koblenz-Landau aufgrund des erhöhten Therapiebedarfs, der aber gleichzeitig gleichbleibenden Angebote, eine Wartezeit von 25 Wochen in Anspruch nehmen müssen. Neben all den psychischen Folgen der Pandemie ist es aber auch wichtig zu erwähnen, unter welchen Umständen junge Menschen diese Zeit meistern mussten. Im Homeschooling kamen nicht immer alle mit. Vor allem in den Grundschulen hatte dies drastische Folgen. Dadurch, dass viele Kinder kaum in den Kindergarten gegangen sind, fehlen wichtige Grundlagen. Dies trifft vor allem junge Menschen mit Migrationshintergrund und ärmeren Familien. Es wird geschätzt, dass etwa jedes fünfte Grundschulkind nicht wirklich viel vom Unterricht mitbekommen hat und somit bei grundlegenden Kompetenzen wie Lesen, Schreiben und Verstehen hinterherhinkt. Natürlich gibt es bereits viele Angebote für Kinder, um diese Bildungslücken aufzufüllen, doch diese Angebote sind alle während der normalen Schulzeit durchzuführen und nehmen den Kindern so noch mehr Zeit weg. Noch dramatischer ist die Lage, wenn wir einmal unseren Horizont erweitern und die ganze Welt betrachten: Vor allem arme Familien gerieten durch die Pandemie in große Not, wodurch die Bildung der Kinder stark gefährdet war. So mussten zum Beispiel in Bolivien viele Kinder arbeiten gehen und konnten so nicht mehr zur Schule gehen. Viele Länder haben keine Möglichkeit, den Unterricht komplett zu digitalisieren, wodurch dieser einfach wegfiel. Außerdem sind Schulen oft auch eine Möglichkeit, eine ausreichende Mahlzeit zu erhalten. Als dies aber nicht mehr möglich war, litten viele junge Menschen an Hunger, da ihre Familien nicht genug Geld hatten. Die Folgen der Pandemie sind also weitaus stärker, wenn man seinen Fokus von Deutschland auf die ganze Welt setzt.

Nach der Aufzählung all dieser Punkte ist eindeutig klar, wie schlecht Kinder in unserer Gesellschaft behandelt werden. Und das, obwohl sie doch immer als „höchstes Gut“ angepriesen werden: Sie sind unsere Zukunft. In Restaurants dürfen sie nicht herumlaufen und bei Geschrei werden den Eltern böse Blicke zugeworfen. Sie bekommen Tipps und müssen sich anhören, was sie alles falsch machen. Kinder zu haben scheint nur Nachteile zu bringen. Nachteile, die mit enormem Stress und Sorge verbunden sind. Die Eltern wissen nicht, wohin mit ihren Kindern, wodurch sie wiederum bei der Arbeit ausfallen. Und durch den drastischen Lehrermangel fällt die Bildung der Kinder auf unterqualifizierte Menschen. Alles in allem scheinen Kinder einzig und allein Stress und Geldmangel zu verursachen. Aber Kinder sind etwas so Wertvolles, allein dadurch, dass sie wohl die ehrlichsten Menschen sind. Sie kosten ihr Leben aus, denn sie machen sich noch keine Sorgen, ihnen ist es egal, wie sie aussehen, ob sie nun voller Matsch sind oder nicht. Kinder wollen ihren Spaß haben und dabei zeigen sie das echteste Lachen, die echtesten Emotionen. Denn sie haben keinen Grund, sich zu verstellen. Sie schreien, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen und sie weinen, wenn sie sich wehgetan haben. Sie müssen ihre Emotionen nicht verbergen, nur damit die bei anderen nicht anecken. Kinder sind die ehrlichsten Menschen der Welt, zu anderen und zu sich selbst. Von manchen positiven Eigenschaften der Kinder, wie zum Beispiel ihrer Sorglosigkeit, ihrem Mut, ihrer Lebensfreude und ihrer Neugier könnte sich so manche oder so mancher eine Scheibe abschneiden.

Warum also hasst unsere Gesellschaft Kinder? Nun, die Last, die diese jungen Menschen zu tragen haben, zwingt ihnen der Kapitalismus auf. Sie sollen zwar einmal ein Rädchen im System werden und der Wirtschaft Profit einbringen, doch als kleine Kinder sind sie dafür vorerst nutzlos. Warum also Arbeit in sie hineinstecken? Ich sage euch, warum dies getan werden sollte: Es ist wie mit einem Blumenbeet. Steckt man viel Arbeit in das Auflockern der Erde hinein, besorgt man alle Utensilien, pflanzt die Samen ein und kümmert sich gut um das Beet, dann wird es wachsen. Tut man dies aber nicht, so geht es ein. Man muss die Erde mit Wasser und Sonne versorgen, alle Rahmenbedingungen müssen ideal sein. Das ist sehr aufwendig und anstrengend, doch am Ende, nach langem Warten, hat man ein wunderschönes Blumenbeet und erfreut sich daran. Warum behandeln wir unsere Kinder nicht auch wie kleine Samen, die bei guter Pflege zu wundervollen und farbenfrohen Blumen werden können?

 

Quellen:

Bild: https://pixabay.com/images/id-5672087/  [Eingesehen am 13.11.22]

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