Sie sind die größte und eine der ältesten Minderheiten Europas. Trotzdem sind Rom*nja und Sinti*zze noch heute von Vorurteilen und Diskriminierung geprägt.
Als Sinti*zze werden die Angehörigen einer ethnischen Minderheit bezeichnet, die sich vorwiegend in West- und Mitteleuropa angesiedelt haben. Rom*nja leben überwiegend in ost- und südosteuropäischen Ländern. Ihre Geschichte und ihr Schicksal sind von politischen Entwicklungen in Gesamteuropa geprägt. Sie besaßen nie einen eigenen Staat oder eine eigene Regierung, die sich für sie einsetzte. Hunderttausende Rom*nja und Sinti*zze, im Folgenden zu Rom zusammengefasst, fielen den Kriegen zum Opfer, haben aber selbst nie einem anderen Volk den Krieg erklärt.
Die Vergangenheit der Rom ist eine Geschichte der Verfolgung, Tötung, Vertreibung und Diskriminierung aufgrund von Vorurteilen.
Vermutlich waren Rom*nja und Sinti*zze bereits zwischen 800 und 1000 nach Christus zur Auswanderung aus ihrer Heimat Indien bzw. dem heutigen Pakistan gezwungen. Seit dem 8. bis 10. Jahrhundert wanderten sie über Persien, Kleinasien oder dem Kaukasus und im 13. und 14. Jahrhundert über Griechenland und dem Balkan nach Mittel- West- und Nordeuropa und von dort weiter bis nach Amerika. Verdrängt durch Kriege, Verfolgung, Vertreibung oder aus wirtschaftlicher Not verteilten sie sich so auf viele Länder der Welt, vor allem aber im heutigen Europa.
Sie kamen als „neue Fremde“, unterschieden sie sich von den Einheimischen doch durch ihr Aussehen, ihre kulturellen Traditionen sowie durch ihre eigene Sprache, dem Romanes, und wurden dadurch häufig ausgegrenzt. Dies führte wiederum zu weiteren Vorurteilen.
Während der Aufklärung im 18. Jahrhundert wollte man die Rom*nja und Sinti*zze zu bürgerlichen Personen „erziehen“ und sie der Gesellschaft anpassen. So versuchte man beispielsweise, ihnen das Romanes zu verbieten und gab Kinder aus Rom-Familien zwangsweise zur Erziehung in christliche Familien.
In Deutschland sind Rom*nja und Sinti*zze seit über 600 Jahren beheimatet und litten schon früh immer wieder unter sozialer Stigmatisierung und Verfolgung. Im Nationalsozialismus waren sie den Juden gleichgestellt und wurden diskriminiert, verfolgt und ermordet. Viele Rom verloren ihre Staatsbürgerschaft, Ehen wurden verboten, Zwangssterilisationen durchgeführt und Berufsverbote verteilt. Im Mai 1940 wurden rund 2800 Rom*nja und Sinti*zze aus Norddeutschland, dem Rheinland und Südwestdeutschland nach Polen deportiert. Damit begann die Deportation aller Rom aus Deutschland und Österreich. Auch in der Nachkriegszeit litten sie unter Hass und Diskriminierung.
Mit dem Ende der Jugoslawien-Kriege und dem Kosovokonflikt kamen rund 50.000 Rom*nja und Sinti*zze nach Deutschland, während die bereits in Deutschland lebenden Rom schon gegen die ständige Diskriminierung und für Gleichbehandlung kämpfen mussten. Ein Großteil der Geflüchteten war lange Zeit nur geduldet und ständig von einer möglichen Abschiebung bedroht.
Heutzutage leben ca. 10 bis 12 Millionen Rom*nja und Sinti*zze in Europa, ca. 6,2 Millionen davon in der EU. Damit bilden sie die größte ethnische Minderheit der EU. Dennoch prägen Armut, soziale Isolation, Chancenlosigkeit sowie gesellschaftliche Ausgrenzung, Antipathie und Rassismus noch heute den Alltag vieler europäischer Rom. Viele Rom*nja und Sinti*zze outen sich deshalb gar nicht erst als Rom, um der Abneigung zu entkommen.

Und weil das nicht normal sein sollte, gibt es viele Vereine für die Verständigung von Rom und Nicht-Rom. Einer von ihnen ist der in Köln sitzende Rom e.V.. Die 1988 gegründete Vereinigung setzt sich für gleiche Chancen für alle Rom*nja und Sinti*zze und für das Recht auf gleichberechtigte politische Teilhabe ein. Die Gründung geht aus einer Initiative aus dem Jahr 1986 hervor. Alles begann, als im Winter 1985/1986 Hunderte von Rom-Flüchtlingen aus Jugoslawien in Köln Zuflucht suchten. Seitdem haben viele Kölner*innen zusammen mit Aktivist*innen der Rom*nja und Sinti*zze eine Organisation aufgebaut, die sich in vielen Kämpfen und der Arbeit mit Mitbürger*innen, Medien, Behörden und Politiker*innen Gehör verschaffte.
Die Hauptaufgaben des Rom e.V. im Einsatz für die Menschen- und Bürger*innenrechte der Rom*nja und Sinti*zze sind die Abwehr von Ausgrenzung und offenem Antiziganismus, die Durchsetzung des Bleiberechts für alle Rom sowie Hilfestellung bei der Integration von Rom.
Dafür bietet der Rom e.V. unter anderem Sozial-, Geflüchteten- und Integrationsberatung an. Mit antirassistischer Arbeit geht der Verein gegen antiziganistische Aktivitäten oder entsprechende Hetze von Zeitungen und Büchern, Radio und Fernsehen, etc. vor. Durch Konzerte, Theatervorstellungen, Lesungen, Vorträge, Kolloquien, Filmfestivals und Ausstellungen möchte man weiterhin Vorurteile abbauen. Auch Erinnerungsarbeit zählt zu den Aufgaben des Rom e.V. und bezieht sich auf die Konfrontation mit deutschen Menschheitsverbrechen an Rom*nja und Sinti*zze.
Außerdem führt der Rom e.V. viele pädagogische Projekte durch. So bieten sie beispielsweise eine schulische Förderung von Rom-Flüchtlingskindern sowie einen Kindergarten für Rom-Kinder und eine Nachmittagsbetreuung inklusive Nachhilfe an.
Darüber hinaus wird mit dem Projekt „Rom Buk“ auch rassismuskritische Bildungsarbeit gegen Antiziganismus betrieben. Dies geschieht durch Workshops, Fortbildungen, Veranstaltungen, Tagungen sowie Informationskampagnen und die Online-Zeitschrift „Nevipe“.
Zu den vielfältigen Angeboten des Rom e.V. gehört weiterhin Romanes-Unterricht für Rom*nja und Sinti*zze.

Doch nicht nur Vereine wie der Rom e.V. machen auf die Situation der Rom*nja und Sinti*zze aufmerksam. Jedes Jahr am 08.04. ist der Welt-Rom*nja-Tag, ein weltweiter Aktionstag um besonders auf die Diskriminierung und Verfolgung der Rom aufmerksam zu machen und zugleich dessen vielfältige Kultur zu feiern. Das Datum erinnert an die Anfänge der Rom*nja-Bürgerrechtsbewegung mit dem ersten Welt-Rom*nja-Kongress am 08.04.1971, dem bis heute wichtigsten Ereignis im Kampf für gleiche Rechte von Rom*nja und Sinti*zze.

Vorurteile abbauen, wollen auuch Gianni Jovanic und Oyindamola Alashe mit ihrem Buch „Ich, ein Kind der kleinen Mehrheit“ von Gianni Jovanic und Oyindamola Alashe sorgen. Dabei zeigen sie, wie stark Rom*nja und Sinti*zze auch heute noch mit strukturellem Rassismus konfrontiert sind. Gianni Jovanic ist ein deutscher Rom, Unternehmer und Aktivist. Oyindamola Alashe arbeitet als Journalistin und konzentriert sich dabei auf die Themen Bildung, Inklusion, Gesundheit und Familie. „Wir waren ein deutscher Rom und eine schwarze Deutsche mit einer Idee.“ – so beschreibt Oyindamola Alashe den Grundstein für das Buch, in dem Gianni über sein Leben als Rom erzählt. Mit seinen 43 Jahren hat er in seinem Leben schon ganz schön viel erleben müssen. Bereits in seiner Kindheit erfuhren er und seine Familie immer wieder rassistische Anfeindungen. Mit 14 wurde er von seinen Eltern verheiratetet. Mit 17 war er schon zweifacher Vater, Anfang 20 outete er sich als schwul. Mittlerweile ist er seit 18 Jahren mit seinem Ehemann zusammen, zweifacher Großvater und die wohl bekannteste Stimme der Rom*nja und Sinti*zze in Deutschland. In „Ich, ein Kind der kleinen Mehrheit“ berichtet er von Rassismus, Anfeindungen und Diskriminierungen, die ihm im Alltag schon oft begegnet sind. Alexandra Friedrich vom NRD bezeichnet das Buch als „ein inspirierendes Buch in diesen Zeiten der großen Krisen, des Kriegs in Europa. Ein Plädoyer für Toleranz und Solidarität, dafür, sich selbst, die Nächsten und die Ferneren zu lieben.“


Quellen: