„Aber woher weiß ich, was der richtige Weg ist? Was soll ich mit mir und meinem Leben anfangen und wie finde ich das heraus? Ich bin ein einziger Mensch zwischen so vielen Menschen, welchen Wert, welchen Sinn hat mein kleines, kurzes Leben?“

Sich spätnachts, irgendwann nach 12 Uhr mit Menschen zu unterhalten, bringt oft Themen auf, die sonst wahrscheinlich weniger konkret angesprochen werden. Woran liegt das wohl? An der konsumierten Promille oder vielleicht an der Dunkelheit der Nacht, in der sich die Menschen sicher fühlen – von der Schwärze umarmt – obwohl sie doch ihr Herz öffnen?

Der Sinn des Lebens – ein Thema, welches entweder in der Philosophie, Ethik oder Religion, oft aber auch im Alltag aufkommt: Was willst du eigentlich mit deinem Leben machen, hast du schon einen Plan? Und wenn man dann erwidert, dass man es nicht weiß, so wird nur geantwortet: Ach, mach dir keine Sorgen. Du bist noch jung und hast viel Zeit.

 

Aber … muss das Leben denn einen Sinn haben?

 

Wir leben in einer Welt, in der wir anhand unserer Leistungen gemessen werden und anhand der Arbeit, die wir in etwas stecken. In der Schule müssen wir lernen, um gute Noten zu schreiben. Später müssen wir arbeiten, um Geld zu verdienen. Wir sind ständig nur mit dem Erfüllen von Aufgaben beschäftigt, jeden einzelnen Tag. Oft genug müssen wir sogar so viel Leistung erbringen, dass sie uns schadet und wir ausbrennen.

Überall suchen wir ein Ziel: Wann ist der Tag endlich vorbei? Wie viele Klausuren sind es noch? Wann ist die Schule endlich vorbei? Auch mit dem Alter ist es so: Wann bin ich endlich 13 und werde nicht mehr als Kind wahrgenommen. Wann bin ich endlich 18 und werde nicht mehr als Teenager wahrgenommen? Wann bin ich endlich 30 und werde auch von den Erwachsenen als Erwachsener wahrgenommen? Wann bin ich endlich 50 und habe ein gesichertes Leben mit Besitz und Familie? Wann bin ich endlich 70 und muss nicht mehr arbeiten? Nun bin ich alt und was habe ich gemacht? Ich habe von Ziel zu Ziel gelebt und nie war es genug.

Und während wir uns die Zukunft ausmalen und uns vorstellen, was einmal sein wird, vergeht die Zeit. Kostbare Zeit, die wir nie wieder zurückbekommen. Warum sagen die Erwachsenen ihren Kindern wohl immer, dass sie ihre Schulzeit genießen sollen? Sie merkten erst im Nachhinein, dass sie neben all dem Stress ganz vergaßen, ihre jungen Jahre auszukosten. Die Zeit wartet nicht auf uns. Wir können sie nicht wieder nachholen.

So ist es auch mit dem Leben als ganzes. Wir suchen einen Sinn in ihn, etwas, dass uns antreibt weiterzumachen. Ein Ziel, das wir uns selbst stellen. Aber können wir nicht einfach leben? Leben, ohne eine Aufgabe erfüllen zu müssen, Leistung erbringen zu müssen?

Warum machst du es dir so schwer? Warum suchst du Antworten auf Fragen, die vielleicht keine Antworten haben? „Warum lebe ich?“ Du lebst! Manchmal braucht es kein „warum“. Doch weißt du, was es am wenigsten brauchst? Eine Berechtigung zu leben. Du musst nichts erfüllen, nichts tun, um deine Geburt zu rechtfertigen. Du musst niemandem beweisen, dass dir ein Platz in dieser Welt zusteht. Solange du versuchst, niemandem zu schaden, auf dein Umfeld Acht gibst und in der Lage bist, dein Spiegelbild ertragen zu können, ist das mehr als genug.

Warum sollten wir uns mit dieser Last beladen, einen Sinn zu brauchen? Wir wissen nicht, wie lange wir auf dieser Welt leben. Was ist, wenn wir denn „Sinn“ nie erreichen können? Oder wenn wir den „Sinn“ einfach nicht erfüllen können, da wir dazu zum Beispiel körperlich nicht mehr imstande sind? War, ist unser Leben dann sinnlos?

Natürlich ist es wichtig, nach etwas zu streben und sich etwas vom Leben zu erhoffen – aber warum ist immer wieder die Rede von einem Plan? Das Leben kann nicht geplant werden. Es passieren unvorhersehbare Dinge, die uns aus der Bahn werfen können – an einem Sinn zweifeln lassen. Aber was ist, wenn wir einfach akzeptieren, dass das Leben mit all seinen schönen und schrecklichen Erfahrungen ausreicht? Warum finden wir nicht in jedem einzelnen Tag einen Sinn, die Augen zu öffnen? Es könnte unser letzter sein.

 

Meine Antwort an dich ist also: Du musst nicht wissen, was der richtige Weg ist. Du musst auch nicht wissen, was du mit deinem Leben anfangen sollst. Und ja, vielleicht bist du nur ein Mensch von vielen – ein Mensch, dessen Leben auf der Erde so kurz erscheint, beinahe bedeutungslos. Aber du brauchst keinen Sinn, um in dieser Welt einen Platz zu finden. Du musst nichts Besonderes erreichen oder die Welt retten, um deine Existenz zu rechtfertigen. Es reicht, wenn du einfach lebst.

 

Bildquelle: https://pixabay.com/de/illustrations/frau-linie-kunst-denkende-frau-7150236/   Eingesehen am 4. Januar 2024