“Da müssen wir uns fragen, wofür wir Menschen und wofür Künstliche Intelligenz brauchen.” sagt die Theologin und Informatikern Prof. Dr. Anne Forest auf dem Kirchentag in Dortmund. Hunderte Interessierte besuchten das Eröffnungs-Podium “Maschinenbilder – Menschenbilder” und lauschten zweieinhalb Stunden den Beiträgen der Redner. Zu den Themen Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz gab es insgesamt sechs große Veranstaltungen in den Sälen der Westfalenhallen. Die Kirche hat zwar kaum einen Einfluss auf den technischen Fortschritt, ist allerdings ein wichtiger Diskussionspartner, um auf ethische Entscheidungen im Umgang mit Künstlicher Intelligenz einzuwirken.

Das erwarten wir von Künstlicher Intelligenz

Ob Künstliche Intelligenzen ein sensationeller Forschungsfortschritt sind, die unser Leben erleichtern oder ob sie die letzte Erfindung der Menschheit sein werden, ist unter Experten umstritten. Unsere Vorstellungen der “Deep-Learning-Algorithmen”, einer Data-Science-Methode, die große Datenmengen nutzt, um Muster zu erkennen und in der Lage ist, eigene Prognosen und Entscheidungen zu treffen, gehen weit auseinander.

Peter Metsel ist fasziniert von KI-Anwendungen in sozialen Medien. Foto: Ann-Kathrin Hegger

Der Marketing-Experte Peter Metsel spricht auf dem Podium über den positiven Einfluss der Künstlichen Intelligenz: “Der Mensch liebt KI’s.” Wir würden sie häufig nicht bemerken, dennoch spielen Künstliche Intelligenzen in dem Alltag von millionen Menschen eine wichtige Rolle. Wenn beispielsweise ein Nutzer Beiträge auf seinem Social Media Profil postet, analysieren Algorithmen die Hashtags, Interaktionen (gemessen an Likes und Kommentaren) und die Bildkompositionen. Der Algorithmus schlägt dann individuell neue Beiträge vor, die den Nutzer interessieren könnten und ordnet sie darüber hinaus in Werbekategorien ein. Durch die intensive Nutzung der Social Media Plattformen, wie Instagram und Facebook, habe der Mensch einen positiven Zugang zur Künstlichen Intelligenz gefunden.

Der Journalist Jonas Bedform-Strohm ist skeptisch. Die gesellschaftliche Vorstellung des Deep Learnings sei hauptsächlich durch Science-Fiction Filme und nicht durch wissenschaftliche Erkenntnisse geprägt worden. Es gäbe deshalb große Unterschiede, wie Menschen sich eine Beziehung zu KI’s vorstellen würden: Sie seien Feind, Sklave, Kollege oder Freund. Aufgrund der unterschiedlichen Vorstellungen entstehen in den gesellschaftlichen Diskursen häufig kontroverse Meinungen darüber, ob und wann das Deep Learning sinnvoll eingesetzt werden kann.

Was Fortschritt darf und was nicht

Die Roboter-Robbe Paro kuschelt mit Demenzkranken, Roboter unterhalten als Quizmaster die Menschen und Pflege-Roboter kümmern sich um Patienten. So ähnlich klingen die Schlagzeilen aus den letzten drei Jahren und beschreiben Versuche der Informatik, Künstliche Intelligenz als Unterstützer in den Alltag zu integrieren. Prof. Dr. Anne Foerst gibt zu, dass durch diese Pflegehilfen bereits erstaunlich positive Ergebnisse an Patienten erzielt werden konnten. Trotzdem kritisiert sie, dass es Aufgaben und Tätigkeiten gibt, in denen Menschen niemals durch Technologie ersetzt werden dürfen. Das Miteinander untereinander sei ein wichtiger Teil des Mensch sein und sehr wertvoll.

Prof. Dr. Matthias Haun warnt vor den Gefahren der KI. Foto: Ann-Kathrin Hegger

Noch dramatischer formuliert Prof. Dr. Matthias Haun, Professor für kognitive Kybernetik und Philosophie der Kognitionswissenschaften, seinen Standpunkt. Er sei bereits als Sterbebegleiter tätig gewesen und wisse ganz genau, dass Maschinen diese Arbeit niemals ersetzen können. Als Experte für autonomes Fahren ist er allerdings begeistert von der Vorstellung ein sichereres Fahren voranzutreiben, bei dem Dilemma-Situationen erst gar nicht entstehen können. 

Die Künstliche Intelligenz ist ein gefährliches Werkzeug. Was mit diesem Werkzeug passiert, entscheiden am Ende diejenigen, welche die Kontrolle darüber besitzen. Prof. Dr. Matthias Haun, warnt deshalb vor dem Einfluss der Wirtschaft. An der Forschungsspitze stünden eindeutig Wirtschaftskonzerne. Sie alleine könnten entscheiden, für welche Zwecke sie KI’s entwickeln. Dass Universitäten und Staaten an der Forschung nicht mithalten könnten, liege an den hohen Kosten der Forschung. Sie alleine könnten die Gelder nicht stemmen und würden nur langsam vorankommen. Deshalb sei es wichtig, dass öffentlich über den Umgang mit der Technik gesprochen wird: “Ich denke, dass wir nicht alles, was technologisch möglich ist, auch entwickeln sollten.” appelliert Haun.

Die moralische Verantwortung der Kirche

Foto: Ann-Kathrin Hegger

Der Podiumsdiskussion auf dem Kirchentag in Dortmund lauschten viele unterschiedliche Menschen: Digital Natives und Digital Immigrants. Der achtzehnjährige Schüler Moritz hatte sich schon eine halbe Stunde vor Beginn des Podiums seinen Platz gesichert: “Diskussionen wie diese brauchen wir. Kaum ist Technik im Spiel, kommen auch ethische Fragestellungen auf.”

Dass die Kirchen eine klare Haltung zu neuen Technologien finden und diese auch konsequent vertreten müssen, da sind sich alle Experten einig. Prof. Dr. Anne Foerst versucht einen ersten Ansatz: “Nur weil eine Künstliche Intelligenz besser Schach spielen kann als ein Mensch, ist sie dann wertvoller?” Sie ist davon überzeugt, dass wir uns nicht daran messen sollten, welche Leistung ein Mensch im Vergleich zur Maschine erbringt. Jeder Mensch sei deshalb etwas besonderes, weil er eine Beziehung zu Gott hat. Die Forderung, dass der Mensch bedingungslos wertvoll ist, sei in den Wurzeln der Kirchengeschichte verankert. Prof. Dr. Anne Foerst fände es gut, wenn die Kirche sich positiv zu den Technologien aussprechen und damit vielen Menschen die Angst vor dem Fortschritt nehmen würde. Dafür müssten die Themen allerdings öffentlich angesprochen werden.

Aktuell würden sich die Vertreter der Kirche allerdings wegducken und keine klare Haltung beziehen, so schätzt Peter Metsel die gegenwärtige Situation ein. Er meint, es wäre besser sich die Frage zu stellen, wie sie als Christen mit dem technischen Fortschritt umgehen sollen.

Und das stellt nicht nur die Kirchen, sondern auch Politiker und Wissenschaftler vor eine zentrale Frage: Dürfen wir Künstliche Intelligenz und die uneingeschränkte Forschung erlauben, wenn wir nicht wissen, was uns tatsächlich erwartet?