Wie ein Tribute-Konzert mehr zeigte als nur gute Musik
Einige Tage nach dem spektakulären Auftritt der schwedischen Rockband Ghost-Konzert im Ruhrgebiet wird es noch einmal mystisch im Kulttempel Oberhausen. Nicht ganz so groß, nicht ganz so laut, aber dafür umso näher dran.
Wer schon einmal bei einem Konzert einer Tribute-Band war, weiß: Es geht um mehr als bloße Nachahmung. Eine Tribute-Band ist eine Musikgruppe, die sich darauf spezialisiert hat, das Werk einer bekannten Band möglichst originalgetreu live zu präsentieren – mit ähnlichem Sound, Look, Bühnenbild und oft sogar mit theatralischen Elementen. Im besten Fall fühlt sich das Publikum, als stünde es dem echten Original gegenüber.
Auf der Bühne: Another Nameless Ghost, eine Tribute-Band, die sich voll und ganz dem Sound und der Ästhetik der schwedischen Okkult-Rocker verschrieben hat – und das auf bemerkenswert hohem Niveau.
Dass Tribute-Bands mehr als nur „Coverbands mit Kostümen“ sind, beweist diese Truppe eindrucksvoll. Mit Detailverliebtheit, theatralischer Inszenierung und musikalischer Präzision schaffen sie es, die Atmosphäre eines echten Ghost-Konzerts aufleben zu lassen.
Dabei setzen sie, genau wie das Original, auf ein durchdachtes Konzept: Die Musiker:innen schlüpfen in die Rolle der sogenannten „Ghouls„, anonyme Bandmitglieder, welche mit ihren einheitlich maskierten Outfits für eine geheimnisvolle Stimmung sorgen. Die Kostüme und Masken entwickeln sich dabei, je nach Album-Ära.
Für Fans, die nicht jedes Mal hunderte Kilometer für das Original reisen können, ist das ein Geschenk. Und für Musikliebhaber ein Beweis dafür, wie viel Können in der sogenannten „zweiten Reihe“ steckt.
Ein neuer Name: Vicart betritt die Bühne
Der Abend im Kulttempel war auch der erste Liveauftritt eines neuen Gesichts in der Band: Gitarrist Vicart. Und auch wenn der Name vielen im Publikum noch nichts sagte, dürfte sich das nach dieser Show geändert haben. Vom ersten Ton an war klar: Hier steht jemand, der nicht einfach nur Töne spielt, sondern Musik fühlt und lebt.
Was man an diesem Abend nicht sieht, aber wissen sollte: Vicart kommt nicht aus einem Umfeld, in dem musikalische Karrieren selbstverständlich sind. Keine Musikhochschule, kein „Vater war schon Musiker“-Narrativ. Seine Familie schickte ihn früh zum Klavierunterricht.
Als das Interesse daran nachließ, griff er zur Gitarre – autodidaktisch, ohne Lehrer, ohne Plan.
Was als Zeitvertreib begann, wurde schnell zur Passion. Und die Leidenschaft zum Können.
Talente wie Vicart: Übersehen, bis sie auf der Bühne stehen
Der Auftritt von Vicart ist mehr als ein starker Einstieg. Er ist eine Erinnerung daran, wie viele Talente in unserer Gesellschaft schlummern – unentdeckt, weil sie nicht durch die klassischen Förderkanäle laufen. Während es in Deutschland viele Programme zur Talentförderung gibt, sind diese oft stark auf akademische Leistungen oder formale Ausbildung ausgerichtet. Doch Kreativität, Musikalität und Bühnenpräsenz lassen sich nicht immer in Noten messen.
Vicarts Weg ist kein Einzelfall. Viele junge Menschen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten landen nicht in Musikschulen oder auf Förderlisten. sondern in ihrem Kinderzimmer mit einer gebrauchten Gitarre und YouTube-Tutorials.
Was ihnen fehlt, sind nicht unbedingt Fähigkeiten, sondern Plattformen. Bühnen. Menschen, die hinschauen.
Ein Abend, der in Erinnerung bleibt
Das Konzert war nicht nur musikalisch ein Erlebnis, sondern auch ein gesellschaftliches Statement: Talente finden sich überall. Sie brauchen Gelegenheiten, gesehen zu werden, nicht nur in Eliteförderprogrammen, sondern auch in kleinen Clubs, offenen Bühnen und Proberäumen.
Vicart hat mit seinem Debüt bewiesen, dass Talent nicht auf Herkunft, Abschluss oder Ausbildung schaut.
Es fragt nur nach einer Chance.
Bildquelle: misskim_event