Die Studienstiftung des deutschen Volkes – was ist das?                                     

Wer ein Studium beginnt, steht in aller Regel vor der Frage, wie dieses finanziert werden kann.

Neben Minijob oder BAföG gibt es in Deutschland für Studienanfänger oder auch Studierende aus höheren Semestern die Möglichkeit, sich für ein Stipendium zu bewerben, das eine finanzielle und meist auch ideelle Förderung anbietet.

Eines der 13 großen Begabtenförderungswerke in Deutschland ist die Studienstiftung des deutschen Volkes, die sich vor allem dadurch auszeichnet, dass sie politisch und religiös neutral ist. Zudem ist sie das älteste und größte Begabtenförderungswerk Deutschlands und fördert Studierende, „deren hohe wissenschaftliche oder künstlerische Begabung und deren Persönlichkeit besondere Leistungen im Dienste der Allgemeinheit erwarten lassen“.

Das bedeutet: Um ein Stipendium zu erhalten, ist kein 1,0er-Abitur nötig. Vielmehr zählen vielfältige Interessen, intellektuelle Neugier, Motivation, Sozialkompetenz und Engagement zusammen mit einer hohen Leistungsbereitschaft zu den Eigenschaften, die potenzielle Stipendiaten mitbringen sollten. All diese Aspekte kann die Abiturnote bei Weitem nicht abbilden, weshalb die Studienstiftung Auswahltagungen an verschiedenen Standorten in Deutschland organisiert, um die Bewerbenden persönlich kennenzulernen.

Die Förderung, die man von der Studienstiftung erhält, besteht aus mindestens 300 Euro pro Monat sowie aus einem breiten Angebot von Sprachkursen, Sommerakademien, Seminaren, Workshops und vielem mehr.

Erste Schritte des Auswahlverfahrens

Grundsätzlich gibt es zwei verschiedene Wege, die in die Studienstiftung führen können: Zum einen können Schulleiter und Professoren Schüler des Abiturjahrgangs bzw. Studierende vorschlagen, sodass diese am Bewerbungsverfahren teilnehmen dürfen. Zum anderen gibt es für Studierende des ersten oder zweiten Fachsemesters die Möglichkeit, sich durch einen Auswahltest für das Bewerbungsverfahren zu qualifizieren.

Es gibt Schulen, die jedes Jahr von dem Schulvorschlag Gebrauch machen, andere jedoch nicht. Trifft Letzteres zu, können Schüler ihre Schulleitung oder einen Lehrer darauf ansprechen und um einen Vorschlag bitten.

Ich wurde von meinem Schulleiter im Juli 2024 für die Studienstiftung des deutschen Volkes vorgeschlagen und erhielt anschließend per Post die Aufforderung, bis Ende September meine Bewerbungsunterlagen hochzuladen. Da jeder, der diese Unterlagen einreicht, automatisch zu einem Auswahlwochenende eingeladen wird, dienen sie nicht zum „Aussortieren“ von Bewerbern, sondern ermöglichen der Auswahlkommission, sich individuell auf die Aufnahmegespräche vorzubereiten. Die erforderlichen Unterlagen bestanden unter anderem aus einem Bewerbungsbogen mit Fragen zu persönlichen Interessen und einem ausformulierten Lebenslauf.

Vorbereitung des Vortrags für die Auswahltagung

Nach einer kurzen Bestätigung des Eingangs meiner Unterlagen hörte ich längere Zeit nichts mehr von der Studienstiftung, bis ich Mitte Dezember schließlich eine Email mit der Einladung zum Auswahlseminar für Studienanfänger Anfang Februar bekam. An diesem Wochenende hält jeder einen siebenminütigen Vortrag über ein Thema seiner Wahl, worüber anschließend 13 Minuten lang in einer Gruppe diskutiert wird. Während der zwei Monate bis zur Auswahltagung notierte ich Ideen zu möglichen Vortragsthemen, um eine möglichst gute Fragestellung zu finden.

Etwa fünf Tage vor dem Auswahlwochenende entschied ich mich für die Diskussionsfrage „Sollte Genome Editing in menschlichen Keimzellen erlaubt sein?“ und bereitete den Vortrag mit Hilfe von Karteikarten vor. Da in den Diskussionsgruppen Studierende aus allen möglichen Fachrichtungen sitzen, erklärte ich möglichst anschaulich, was Genome Editing ist und welche Folgen es hätte. Dabei achtete ich darauf, bereits genügend Inhalt für mögliche Pro- und Kontra-Argumente miteinzubeziehen, die meine Gruppe in der anschließenden Diskussion aufgreifen kann.

Besonderen Respekt hatte ich vor dem Moderieren der Diskussion zu meinem Thema, weshalb ich eine Tabelle mit Argumenten für beide Seiten erstellte, um einen besseren Überblick über das Thema zu erhalten und um mir vor Augen zu führen, welche kritischen Gegenfragen ich stellen könnte. Außerdem überlegte ich mir einige Fragen, um die Diskussion in eine bestimmte Richtung lenken zu können, zum Beispiel: „Nehmen wir an, Genome Editing wäre wissenschaftlich eine zu hundert Prozent sichere Methode, wie würdet ihr dann zu der Frage stehen?“

Um zu üben und um Feedback zu bekommen, hielt ich den Vortrag vor meiner Familie und bat sie, über das Thema zu diskutieren. Zudem ließ ich ChatGPT eine mögliche Diskussion zu dem Thema simulieren, in der ich der Moderator war und entsprechend auf die Beiträge reagieren musste.

Vorbereitung auf die Einzelgespräche

Neben dem Halten eines Vortrags und dem Moderieren einer Gruppendiskussion wusste ich, dass zwei Einzelgespräche à 30 Minuten auf mich zukommen würden. Zur Vorbereitung las ich mir meinen ausformulierten Lebenslauf und den ausgefüllten Fragebogen noch einmal durch und überlegte, ob ich zu jedem Punkt erklären konnte, warum ich mich so entschieden habe und welchen Mehrwert dies für mich hatte. Eine weitere Vorbereitung war nicht nötig, weil die Fragen der Auswahlkommission nicht vorhersehbar sind und deshalb nicht vorbereitet werden können.

Tag 1 des Auswahlseminars – erstes Kennenlernen

Freitags begann das Auswahlseminar abends entspannt mit einem gemeinsamen Abendessen im Hostel, bei dem ich die anderen Bewerbenden kennenlernen durfte. Insgesamt waren es knapp 50 Studienanfänger, die alle einen sehr netten und offenen Eindruck machten. Von einem Konkurrenzdruck war nichts zu spüren, was wohl auch daran lag, dass die Studienstiftung keine feste Aufnahmequote hat, sondern alle überzeugenden Bewerbenden annimmt. Nach dem Abendessen gab es eine kleine Informationsveranstaltung, in der die ideelle Förderung der Studienstiftung präsentiert wurde. Zudem stellten sich die acht Kommissionsmitglieder vor, die alle aus ganz verschiedenen Fachbereichen kamen und ebenfalls sehr freundlich wirkten. Im Laufe des Wochenendes wurden alle Kandidaten von drei verschiedenen Kommissionsmitgliedern bewertet: Von einem während der Gruppendiskussionen, von einem anderen während des ersten Einzelgesprächs und von einem weiteren beim zweiten Einzelgespräch.

Nach diesem offiziellen Teil stellte sich ein Stipendiat der Studienstiftung zur Verfügung, um all unsere Fragen zu beantworten. Anschließend hatten wir Zeit, um uns in unseren Gruppen zusammenzufinden, mit denen wir am nächsten Tag die Gruppendiskussionen durchführen würden. Das empfand ich als sehr hilfreich, weil wir uns so schon einmal kennenlernen und einen Überblick über die Diskussionsthemen erhalten konnten.

Tag 2 des Auswahlseminars – Gruppendiskussionen und erstes Einzelgespräch

Am nächsten Tag begann um 8.30 Uhr die erste Gruppendiskussion unserer Sechsergruppe. Wir waren sehr aufgeregt, aber stellten schnell fest, dass alles dafür getan wurde, um das Auswahlseminar so angenehm wie möglich zu gestalten.

So saßen wir zum Beispiel an einem Gruppentisch, während das Kommissionsmitglied etwas abseits Platz genommen hatte, sodass wir uns ganz auf unsere Diskussion fokussieren konnten. Zwischendurch vergaß ich sogar, dass es sich nicht um eine normale Diskussion zwischen Freunden, sondern um eine Aufnahmeprüfung handelte, weil es so viel Spaß machte, über all die verschiedenen Themen zu diskutieren. Diskussionsfragen der anderen Personen waren zum Beispiel „Sollten Zoos in Deutschland abgeschafft werden?“, „Sollten einzelne Schulfächer gegen Schülerwettbewerbe ausgetauscht werden dürfen?“ oder „Sollte die Atomkraft in Deutschland wieder eingeführt werden?“. Wir alle achteten dabei darauf, dass alle Gruppenmitglieder etwa gleich oft zu Wort kamen. Wer etwas sagen wollte, verdeutlichte das mit einem Handzeichen und konnte dann vom Moderator drangenommen werden. So erreichten wir eine gute Struktur in unseren Diskussionen.

Es wurde von uns erwartet, dass wir mit unserem Handy selbst die Zeit stoppten, wobei es nicht schlimm war, wenn es Abweichungen von 30 Sekunden oder einer Minute gab. So hatte ich genügend Zeit, um nach Ablaufen der 13 Minuten die Diskussion zu einem abgerundeten Schluss zu führen.

Bis 17.50 Uhr nahm ich an insgesamt sechs Gruppendiskussionen teil, von denen ich eine selbst moderierte, und fand, dass es deutlich entspannter war, als ich es mir vorgestellt hatte. Allerdings empfand ich es als sehr anstrengend, dass wir häufig eine halbe Stunde oder länger Pause hatten, während andere Personen ihr Einzelgespräch hatten. Dadurch zog sich die Anspannung über den ganzen Tag.

Als ich gegen 17 Uhr endlich mein erstes Einzelgespräch hatte, war ich erneut positiv überrascht davon, wie locker es verlief. Das Kommissionsmitglied zeigte echtes Interesse an mir und meinem Engagement, sodass es sich die meiste Zeit wie ein ganz normales Gespräch anfühlte. Ich merkte, dass die Stiftung vor allem meine Persönlichkeit, Motivation und Interessen kennenlernen wollte. Ich sollte zum Beispiel erzählen, warum ich mich für meinen Studiengang entschieden hatte und welches ehrenamtliche Engagement ich ausübe. Ein paar Fragen waren unvorhersehbar, zum Beispiel „Gibt es Ihrer Meinung nach Gemeinsamkeiten zwischen der Biologie und der Philosophie?“, „Warum haben ältere Menschen verlernt, Fragen zu stellen?“ oder „Wenn Sie einen internationalen wissenschaftlichen Kongress organisieren müssten, wie würden Sie das tun?“. Andere Bewerber mussten beispielsweise das Logo der Studienstiftung interpretieren. Das zeigt, dass eine umfassende Vorbereitung auf das Einzelgespräch kaum möglich ist – vielmehr möchte das Kommissionsmitglied möchte sehen, wie man spontan auf unerwartete Fragen reagiert und mit Stress umgeht.

Tag 3 – Zweites Einzelgespräch

Am Sonntag gegen 11 Uhr hatte ich mein zweites Einzelgespräch, das sich nicht wie ein entspanntes Gespräch, sondern eher wie ein Verhör anfühlte, weil das Kommissionsmitglied nicht auf meine Aussagen reagierte, sondern direkt zur nächsten Frage überging. Ich wurde zum Beispiel nach meiner Meinung zu einem möglichen AfD-Verbot gefragt, und als ich bei der Antwort das Thema Bildung ansprach, sollte ich konkret erläutern, was ich am Bildungssystem und speziell im Geschichtsunterricht verändern würde. Das zeigte mir, dass ich das Gespräch durch meine Antworten selbst mitsteuern konnte. Außerdem wurden auch in diesem Gespräch Fragen zu meinem Lebenslauf, zum Beispiel zu Auslandsaufenthalten und zu meinem Studium, gestellt. Wichtig ist, dass es bei Studienanfängern keine inhaltliche Abfrage zum Studium gibt, stattdessen geht es um Erwartungen an Studium und Beruf.

Nach der Auswahltagung

Nach meinem Einzelgespräch reiste ich ab und fand, dass das Wochenende unabhängig vom Ausgang der Bewerbung eine wertvolle Erfahrung mit vielen tollen Gesprächen und interessanten Persönlichkeiten gewesen war. Ob meine Bewerbung erfolgreich war, wusste ich noch nicht. Ich zweifelte an einen möglichen Erfolg, denn auf der einen Seite fielen mir viele Punkte ein, die gut gelaufen waren, auf der anderen Seite wusste ich jedoch, dass man von den insgesamt drei Kommissionsmitglieder mindestens zwei von sich überzeugen musste, um angenommen zu werden. Das verunsicherte mich, denn ich sah bei beiden Gesprächen sowie bei meiner Moderation auch kritische Punkte, die nicht optimal gelaufen waren.

Nach zweieinhalb Wochen Warten war es endlich so weit: Ich hielt einen großen Umschlag mit der Zusage für das Stipendium in den Händen und freute mich riesig darüber.

Ich kann eine Bewerbung bei der Studienstiftung des deutschen Volkes jedem ans Herz legen, der vielseitig interessiert und engagiert ist. Es gibt nichts zu verlieren, aber viel zu gewinnen.

 

Textquellen:

https://www.studienstiftung.de/kurzprofil

https://www.studienstiftung.de/infos-fuer-studierende-und-vorschlagende/ideelle-foerderung

https://www.studienstiftung.de/infos-fuer-studierende-und-vorschlagende/bewerbung-und-auswahl/selbstbewerbung-um-ein-stipendium-der-studienstiftung

https://www.studienstiftung.de/infos-fuer-studierende-und-vorschlagende/wen-wir-foerdern

 

Bildquellen:

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Die in der vorliegenden Arbeit verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich gleichermaßen auf weibliche, männliche und diverse Personen. Auf eine Doppelnennung und gegenderte Bezeichnungen wird zugunsten einer besseren Lesbarkeit verzichtet.




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