Am 13. Dezember 2022 jährte sich das Massaker von Kalavryta zum 79. Mal. An diesem Tag brannten die Deutschen die Stadt nieder und exekutierten alle Männer älter als 13 Jahre.

Kalavryta ist eine Kleinstadt im Norden der griechischen Halbinsel Peloponnes. Sie ist für ihren Beitrag an der griechischen Revolution gegen die Türken im Jahr 1821 sowie für ihren Widerstand während des 2. Weltkriegs bekannt.
Kalavryta ist eines von vielen historischen Märtyrerdörfern in Griechenland. Unter diesem Begriff versteht man Gedenkorte, in denen während der deutschen Besetzung in größerem Ausmaß Kriegsverbrechen an der Zivilbevölkerung verübt wurden.
In Deutschland ist der Holocaust in Griechenland kaum bekannt, obwohl auch die Griechen deutlich unter den Nazis gelitten haben.

Seit Mai 1941 wurde Griechenland von den deutschen Nationalsozialisten, den Italienern und den Bulgaren besetzt. Die Besetzung dauerte bis 1944 an und ist von Tötungen, Plünderungen und Zerstörung geprägt. Die meisten Juden in Griechenland wurden in dieser Zeit deportiert und ermordet.
Anfangs konnten die Griechen noch Widerstand leisten, aber nachdem mehrere Orte erobert wurden, teilten die Sieger Deutschland, Italien und Bulgarien das Land unter sich auf. Um gegen die Wehrmacht vorzugehen, bildeten sich griechische Organisationen, wie die Nationale Befreiungsfront oder die Griechische Volksbefreiungsarmee ELAS.
Auch die Partisanen leisteten Widerstand. Sie nutzen die Dörfer als Basis für ihren Nachschub, zur Tarnung für Hinterhalte, als Fluchtweg, als Informationsquelle sowie zur Rekrutierung von Männern, Führern und Boten.
Insgesamt wurden bei den „Sühnemaßnahmen“ bis zum Abzug der deutschen Truppen im Oktober 1944 mehr als 2.300 Bewohner*innen der Peloponnes als Geiseln erhängt oder erschossen.

Eines der bekanntesten Massaker durch die Nazis ist das Massaker von Kalavryta. Es zählt (neben den Massakern im tschechischen Lidice, im französischen Oradour sowie den serbischen Städten Kraljevo und Kragujevac) zu den schwersten Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung im besetzten Europa.
Bereits im September 1943 übernahm die deutsche Besatzungsarmee nach dem Kriegsaustritt Italiens die bisherige italienische Besatzungszone inklusive der Halbinsel Peloponnes.
Die deutsche Militärführung erwartete aufgrund eines Gerüchtes irrtümlich eine Landung der Alliierten im Südwesten der Peloponnes. Demnach wollten sie eine mögliche operative militärische Verbindung zwischen den Alliierten und den Widerstandskämpfern verhindern.
Im Raum Kalavryta hatten die Partisanen eine besonders starke Position und nutzten vor allem die bergige Umgebung als Vorteil. Und auch der nationale Widerstand dehnte sich in den drei Knotenpunkten Kalavryta, dem Berggebiet Aigialeia und der Umgebung von Patras in den unzugänglichen Bergen aus. Diese drei Punkte wurden als Dreieck des gefährlichsten Widerstands bezeichnet. Dementsprechend bildete sich das deutsche, militärische „Unternehmen Kalavryta“, welches 668 Menschenleben kostete sowie 24 Ortschaften und 3 Klöster in der Umgebung vollständig vernichtete.
Am 08. Dezember 1943 begannen die Nazis Dörfer in der Umgebung Kalavrytas inklusive dem Nationalheiligtum Kloster Agia Lavra zu zerstören. Am 13. Dezember 1943 wurden dann alle Dorfbewohner*innen zur Schule befohlen. Dort wurden die Männer von den Frauen und Kindern getrennt. Die weibliche Dorfbevölkerung wurde in der Schule eingesperrt. Wenig später wurde das Gebäude angezündet. Glücklicherweise konnten sie aber im letzten Moment die Fenster und Türen aufbrechen und entkommen. Bis auf eine Frau, welche bei der Flucht niedergetrampelt wurde, überlebten alle und blieben als Waisen zurück.

“Ich verlor meinen Mann Nikos, und meine drei Jungs Antonis, Giorgos und Christos. Und ich war alleine und schutzlos mit meinen fünf Waisen.“, beschrieb Antiope Chondronikola ihren Verlust.

Alle Männer im Alter von 15 bis 65 Jahren wurden, weil sie mögliche Widerstandskämpfer sein könnten, oberhalb des Ortes geführt und dort erschossen. Insgesamt überlebten nur 13 von 477 Männer, weil sie für tot gehalten und unter anderen toten Körpern versteckt waren.

Georgios Georgantas, einer der wenigen Überlebenden, erlebte den Tag wie folgt: „Es ist fast 10.30 Uhr und schwarzer Rauch fängt an, sich zu verbreiten. In der Stadt sind Schüsse zu hören. Sie bewerfen die Häuser mit Pulver, um sie leichter in Brand setzen zu können. Wohin man auch schaut, Flammen und Rauch. Rauch, Krach und Plünderungen. Häuser, Geschäfte, öffentliche Einrichtungen, Hütten und Scheunen, Kirchen, Besitztümer – die harte Arbeit vieler Jahre – verbrennen gnadenlos in einem großen schwarzen und roten Feuer.
Der erste Deutsche, der mich wegzog, wurde in der Tat getäuscht. Er dachte ich sei tot und gab mir zur Belohnung einen Tritt. Dann kam ein zweiter Soldat. Ich dachte, dass das gleiche auch mit ihm passieren würde. Als der erste mich zum ersten Mal schüttelte, fiel mir meine goldene Uhr aus der Tasche, und er hat sich gefreut. Er hat sie zwei oder dreimal in beide Hände genommen und sich gleichzeitig umgeblickt. Es scheint, dass es ihnen verboten war, die Toten zu beklauen, und er fürchtete, dass ein Offizier ihn sehen würde. Die Uhr blendete ihn und er hat mit ihr ‚geflirtet‘. Er hat sie fallen gelassen und wieder in die Hand genommen. Irgendwann konnte ich meinen Atem nicht länger halten und atmete ein. Da feuerte er mit seiner Pistole auf meinen Nacken und verließ den Ort sofort.“

Vor deutschen Gerichten musste sich keiner der am Kriegsverbrechen Beteiligten verantworten. Bis heute haben die Betroffenen bis auf eine Reihe zivilgesellschaftlicher Hilfsinitiativen so gut wie keine Entschädigung erhalten.

Jedes Jahr am 13. Dezember wird in Kalavryta eine Gedenkfeier, inklusive Todesandacht in der Kirche, Trauermarsch und Kranzniederlegung, abgehalten.
Am Stadtrand befindet sich am Kappi-Hügel, auf welchem das Massaker stattgefunden hat, eine Gedenkstätte. Diese erinnert an die Toten, dessen Namen in große Betonwände eingelassen sind. Eine weiße Steinschrift erinnert an das Datum des Massakers und an der Spitze des Hügels steht ein hohes, weißes Kreuz, das weithin im Tal sichtbar ist. Weiterhin sind auf der Gedenkstätte die Schriftzüge „OXI ΠIA ΠOΛEMOI“ (Nie wieder Krieg) und „ΕΙΡΗΝΗ“ (Frieden) zu finden.

Im historischen Gebäude der alten Grundschule von Kalavryta befindet sich seit 2005 ein Holocaust-Museum, das einzige seiner Art in Griechenland. Dort befinden sich Museumsstücke aller Art, die etwas mit den Ereignissen des Holocausts vom 13. Dezember 1943 in Kalavryta und allen Ereignissen, die vor und nach dem Holocaust in der weiteren Umgebung Kalavrytas stattfanden, zu tun haben.
Eingeweiht wurde das Museum am 09. Januar 2005 vom damaligen griechischen Staatspräsidenten Konstantinos Stefanopoulos. Gebäude wie dieses sollen dafür sorgen, dass die Geschichte nicht vergessen wird.
Denn nicht nur in Deutschland wissen wenige von den Gräueltaten der Nationalsozialisten während der deutschen Besetzung in Griechenland, auch in griechischen Schulen wird die Zeit des Nationalsozialismus kaum thematisiert.


Quellen: