Fahed ist 24 Jahre alt und studiert Spanisch und Geschichte auf Lehramt. Geboren und zur Schule gegangen ist er zuerst in Syrien, bevor er dann mit 13 Jahren in die Türkei geflohen ist. Dort ging er zur Schule, bis er mit gerade 18 Jahren nach Deutschland gekommen ist. Zu dem Zeitpunkt war er kurz vor seinem Schulabschluss. In Deutschland musste er nochmal fünf Schuljahre wiederholen. 2021 hat er schließlich sein Abitur gemacht und angefangen zu studieren.
Fahed erklärt sich bereit, mir ein paar Fragen zu seiner kulturellen Identität zu beantworten und seine Geschichte zu erzählen.
Was ist syrische Kultur für dich?
Die syrische Kultur ist sehr von der Mehrheits-Gesellschaft und von Religionen geprägt. Die Denkweise der Menschen ist sehr gleich und einheitlich. Alles läuft immer gleich. Wichtige Eigenschaften in der syrischen Kultur sind Großzügigkeit, Gastfreundlichkeit und Herzlichkeit. Aber auch Spontanität. Das ist eine der Eigenschaften, die ich in Deutschland am meisten vermisse.
Aber auf mich bezogen ist das eine schwierige Frage. Es ist auf jeden Fall ein Teil meiner Identität, gleichzeitig habe ich aber auch kaum Erinnerungen wie Syrien war.
Durch meine syrische Familie habe ich ja ständig etwas damit zu tun. Sie sagen über mich, dass nur noch mein Name syrisch an mir ist. Auch sonst kriege ich oft zu hören ich sei „zu integriert“. Dabei dachte ich immer, ich hätte beide Kulturen kombiniert, aber scheinbar nicht.
Deswegen stelle ich mir seit einiger Zeit die Frage, warum ich so wenig syrische Kultur in mir habe.
Was kommt dir in den Kopf, wenn du an deutsche Kultur denkst?
Mir fällt es immer schwer, sowas zu sagen. Kultur ist oft das, was die Mehrheit tut. Aber das sind oft Klischees. Eine Gesellschaft besteht auch aus vielen Minderheiten und sie verändert sich. Deswegen will ich nicht in Klischees denken oder diese weiterverbreiten. Ich möchte keine Menschen aufgrund einer angeblichen Kultur stigmatisieren.
Aber in Deutschland oder an der deutschen Kultur schätze ich sehr wert, dass sie so vielfältig ist und, dass die Individualität der Menschen so hochgeschätzt wird.
Was fandst du in Deutschland schwer zu lernen?
Ich fand es seltsam, dass oft so wenige Emotionen gezeigt werden. Auch in Situationen, wo ein bisschen Empathie sehr hilfreich gewesen wären.
In Syrien ist das ganz anders. Die Menschen dramatisieren gerne vieles.
Was sind Vorteile davon, zwei Kulturen so gut zu kennen?
Ich habe gelernt meine Rolle zu reflektieren und mich in die Situation von anderen hineinversetzen zu können.
Zum Beispiel habe ich mit einem Geflüchteten deutsch geübt, indem wir über den Klimawandel geredet haben. Er hatte eine komplett andere Meinung als ich, aber das kenne ich ja auch von meiner Familie. Statt ihm mit Vorurteilen zu begegnen verstehe ich, dass er nicht aufgeklärt wurde. Deswegen gebe ich ihm Zeit zum reflektieren und werde ihm Infos dazu mitbringen.
Und empfindest du auch Nachteile daran?
Der größte Nachteil für mich ist, dass ich weder syrisch noch deutsch bin.
Meine Familie sieht mich nicht als syrisch. Für sie ist mein Verhalten oft fremd. Nur noch auf dem Ausweis bin ich wirklich syrisch.
Für Deutsche bin ich syrisch und nicht deutsch. Deswegen fühle ich mich nicht zugehörig zu einer Gruppe. Also ich fühle mich wohl, aber ich könnte mir vorstellen, dass es cool wäre so ein Zugehörigkeitsgefühl zu haben. Das ist etwas, was mir schon immer fehlt.
Wie hast du eine fremde Kultur gelernt?
Ich habe mich darauf eingelassen. Einfach alles genommen wie es war und im Nachhinein überlegt ob es mir damit gut oder schlecht ging.
Und allgemein einfach Interesse zeigen.
Etwas aus Deutschland, dass du nie wieder hergeben willst?
Das Gefühl von Freiheit – Das ist mir sehr wichtig. Und auch, dass ich mich von den ganzen Gedanken befreien kann und sagen kann das finde ich falsch und das finde ich richtig. Allgemein auch, dass man diskutiert.
In Syrien ist einfach nicht viel Platz für Diskussionen, dafür ist es zu geprägt von Religion und den ganzen Traditionen.
Was hättest du gerne gewusst bevor du nach Deutschland gekommen bist?
Wie das Schulsystem funktioniert (lacht). Nein, irgendwas zu wissen hätte mich wahrscheinlich nur verwirrt und letztendlich wären es wieder nur Klischees gewesen.
„Meine Familie in Syrien sieht mich jetzt nicht mehr als eine syrische Person, die halt dazu gehört. […] Und für die meisten Deutschen bin ich halt syrisch […] Und deshalb fühle ich mich auch nie so richtig Zugehörig zu irgendeiner Kultur.“