Es ist Mittwoch, der 05. Mai 2021. Ich sitze im Veranstaltungssaal des örtlichen Gymnasiums und bin zu Gast in der ersten Sitzung des Ausschusses für Vielfalt, Senioren, Gesundheit, Soziales und frühkindliche Bildung der Stadt Tönisvorst nach der Kommunalwahl im September letzten Jahres.
Der Internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie bzw. -feindlichkeit […] wird seit 2005 jährlich am 17. Mai […], als Aktionstag begangen, um durch Aktionen, mediale Aufmerksamkeit und Lobbying auf die Diskriminierung […] von Menschen hinzuweisen, die in ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität von der Heteronormativität abweichen. Das Datum wurde zur Erinnerung an den 17. Mai 1990 gewählt, an dem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschloss, Homosexualität aus ihrem Diagnoseschlüssel für Krankheiten zu streichen. Transsexualität wurde erst 2018 mit dem Erscheinen der ICD-11 von der WHO als „Krankheit“ gestrichen.
Die Tagesordnung besteht aus 9 Punkten; bei Punkt 6.8 ist ein Antrag der Grünen zu finden. Es wird beantragt, ab sofort jährlich am 17. Mai – zum Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie – an allen städtischen Gebäuden eine Regenbogenflagge zu hissen. Das ist der letzte Antrag auf der Tagesordnung, es dauert lange, bis dieser endlich behandelt wird. Nach zwei Stunden geht die Sitzung zu Ende: Der Antrag wurde einstimmig beschlossen. Alle Redebeiträge zum Antrag waren äußerst positiv. Eine Stadträtin der SPD-Fraktion erklärte, dass ihre Fraktion diesen Antrag auch hätte stellen wollen. Die CDU-Fraktion begrüßt den Antrag.
Noch am Abend teilte ein Mitglied der Grünen den Erfolg, ein Lokalradio-Moderator teilte diesen Beitrag in einer Facebook-Gruppe. Was in den Kommentaren von sich gegeben wurde war nicht zu fassen. Ein Kommentar eines:einer Nutzer:in, der:die behauptete, dass man dann doch gleich noch die Reichsflagge aufhängen könne, wurde schnell wieder von den Administrator:innen der Gruppe gelöscht. Aber auch weniger radikale Aussagen fanden Platz in der Kommentarspalte. So beschwerte sich ein:e Nutzer:in in folgendem Wortlaut: „Himmel, hilf! Jetzt geht diese Genderkacke hier auch schon los!“
Auch das rhetorische Ablenkungsmanöver „Whataboutism“ fand Anwendung in den Kommentaren: „Super! Wenn es keine andere schwerwiegende Probleme gibt! Das Geld wäre besser angelegt wo anders. So viel Mühe für nix!“
Und solange solche Kommentare auf Facebook geteilt werden, sollten genau solche Aktionen in die Welt getragen werden. Wir müssen Farbe bekennen, um queeren Menschen die Angst zu nehmen, ihre Persönlichkeit frei auszuleben!