Berlin. Auf der Internationalen Tourismusbörse stellen einige Länder neue Marketingstrategien und Reiseziele speziell für LGBTQ* (Lesbian, Gay, Bisexual, Transsexual und Queer) Besucher vor.  Die Reiseveranstalter wollen die Sicherheit der LGBTQ* auf Reisen gewährleisten und sie vor Anfeindungen und Diskriminierung schützen. In 72 Ländern weltweit gelten antihomosexuelle Gesetze. Für die LGBTQ* bedeutet das Bereisen dieser Länder ein Sicherheitsrisiko und die Einschränkung ihrer Sexualität.

Der Aufstieg der LGBTQ* Bewegung

25 kleine Reisebüros und Hotelbesitzer gründen 1983 die „International Gay and Lesbian Travel Association“ (IGLTA), eine internationale Organisation, die sich dem LGBTQ* Tourismus widmet. Nach 26 Jahren Netzwerk- und Aufklärungsarbeit ist die Institution in mehr als 80 Ländern mit 5.000 Tourismus- und Medienkontakten vertreten. Was IGLTA bereits vor Jahrzehnten realisiert: Für den LGBTQ* Tourismus gibt es kaum Angebote. Dabei schätzen Wirtschaftsexperten die globale LGBTQ* Kaufkraft auf 3,6 Trillionen US-Dollar. Erst Anfang der 2000er entdeckt die Tourismusbranche das Potential der Community. Doch der Schritt ist riskant: Einige Unternehmen fürchten, dass Stammkunden abspringen, wenn das Marketing für LGBTQ* verstärkt wird. IGLTA klärt weiterhin Menschen auf, bewirbt LGBTQ* Reisen und der gesamtgesellschaftliche und politische Handlungsdruck wächst. Als erstes Land weltweit erlauben die Niederlande 2001 die gleichgeschlechtliche Ehe. Die Thematik wird von Menschen und Politikern weltweit diskutiert.

Auswirkungen auf die Reiseindustrie

Die LGBTQ* Community wird von der Tourismusbranche jetzt erstmalig als eigene Zielgruppe anerkannt. John Tanzella, der Vorsitzende von IGLTA, erzählt von seinen ersten Messeauftritten. Mit nur zwei Stehtischen hätte die gesamte LGBTQ* Bewegung auf den weltweit anerkanntesten Tourismusveranstaltungen auskommen müssen. Auf der ITB 2019 nehmen der IGLTA Stand und die Länderaussteller, die die Besucher für den LGBTQ* Tourismus begeistern wollen, mehr als 600m² Fläche ein.  Da reihen sich die USA, Thailand und Marokko aneinander und zeigen Orte auf, an denen LGBTQ* ihre Sexualität frei ausleben können. Dass das nicht immer garantiert werden kann, verrät der Standleiter aus Marokko. Auch in aufgeklärten Ländern sei in stark konservativen Regionen Diskriminierung aufgrund der eigenen Sexualität nicht ausgeschlossen. In den marokkanischen Städten Cartagena, Barran Quilla und Medellín empfiehlt er das Reisen. Die Menschen dort seien aufgeschlossener und die Städte aufgrund ihrer kulturellen Vielfalt interessanter. Dahin würde sich das Reisen lohnen!

Marketing-Strategien der Reiseunternehmen

John Tanzella spricht über die Entwicklung des LGBTQ* Tourismus

Bei der Panel Diskussion „The Future of LGBT+ Tourism & Hospitality Marketing“ sprechen der Manager des Mercure Hotel Berlin Philip Ibrahim, der Zuständige für Vielfalt und Inklusion des Greater Fort Lauderdale aus den USA, Marketing Direktor der Travel Corporation David Meany und Botschafterin der IGLTA Japan Shiho Ikeuchi über die Trends der aktuellen Werbekampagnen für die LGBTQ* Reisen. Es sei wichtig reale Identifikationsfiguren zu schaffen. Werben mit einem Model, das nicht Teil der LGBTQ* ist, sei ausgeschlossen. Keine Werbemarionetten, sondern echte Personen sollen die Werbegesichter der Zukunft werden. In den Hintergründen, der persönlichen Motivation und den Erfahrungen der Werbegesichter soll sich die Zielgruppe wiederfinden. Außerdem setzt das Marketing gezielt auf Influencer. Nicht diejenigen, die den Urlaubsort besuchen, einige Fotos machen und nach wenigen Tagen abreisen, sind für die Werbung interessant, sondern diejenigen, die sich mit Herz für das Thema interessieren. Die Influencer sollen Geschichten vom Urlaubsort erzählen und sich über mehrere Monate für das Thema einsetzen. Menschen mit einer großen Reichweite, die verstehen, wie die LGBTQ* Community tickt und an welchen Stellen ihre Sexualität beim Reisen anecken könnte. Zum Problem wird diese Strategie vor allem in den Ländern, in denen Homosexualität unter Strafe steht. Da erfordert es mehr als nur Mut, als Privatperson seine Geschichte zu erzählen und sich anschließend plakativ für die Reiseindustrie ablichten zu lassen.

„This city is home to Colombian romance. The city ist the perfect place to tie the knot or propose to the love of your live.“

 

Marketing allein reicht nicht

Dass Werbung allein keine Akzeptanz schaffen kann, bestätigen die Marketing Experten. Ihre Aufgabe sei es deshalb auch die Menschen weiterzubilden, Hotelfachkräfte aufzuklären und Verbindungspunkte zu schaffen. Die LGBTQ* Reiseanbieter tauschen sich mit lokalen Partnern aus. Gemeinsam klären sie, wo noch Hilfe benötigt wird und sprechen die Einheimischen auf die verschiedenen Sexualitäten an. Auch die globale Vernetzung ist unfassbar wichtig, um voneinander zu lernen. Bei Festivals, Paraden und Events zeigen die Städte, dass sie sich offen für die Community engagieren wollen. Medienvertreter und Journalisten werden eingeladen, um die Debatte öffentlich zu befeuern. Am besten laufen allerdings die Hashtags über die Sozialen Netzwerke. Jeder Mensch kann dazu beitragen, dass wir „welcoming tourism“ in der eigenen Stadt leben. Unter den Hashtags #pride #lgbtq #welcome teilen Menschen weltweit ihr Interesse daran, andere Menschen willkommen zu heißen. Da, wo sich jeder Einzelne von uns willkommen fühlt, reisen wir gern hin und jeder Einzelne kann dazu beitragen.