„Eindrucksvoll, authentisch, realistisch“ – Diese Schlagworte fielen nach der Filmpremiere am 10. September in der Lichtburg in Essen wohl am häufigsten. Der unter der Regie vom jungen Wolfgang Fischer gedrehte Film „STYX“ hat sowohl sprachlose Gesichter als auch jede Menge Diskussionspotential im Publikum hinterlassen. „STYX“ erzählt die Geschichte einer jungen Ärztin, die allein mit ihrer Selgelyacht von Gibraltar die senegalische Küste entlang bis zur Atlantikinsel Ascension Island fahren will, um zu einem dort künstlich angelegten Dschungel zu gelangen.
Im Gegensatz zu vielen anderen Filmpremieren wurden vor Beginn dieser Vorführung keine einführende Worte gesprochen. Der Regisseur wies lediglich darauf hin, dass während der Filmarbeiten nahezu komplett auf Special Effects verzichtet wurde und dementsprechend beinahe alle Aufnahmen nur deshalb so entstanden sind, weil die Zustände auch in der Realität so waren. Die Dreharbeiten liefen bis auf eine extreme Sturmszene also tatsächlich auf einer Segelyacht in den unterschiedlichsten und schwierigsten Wetterverhältnissen ab. Mit diesem teils bedrückendem, teils begeisterndem Vorwissen wurde das Publikum in den Film entlassen, der sie für die nächsten 93 Minuten fesselte.
Wenn der Segeltörn zum Albtraum wird
Als Einstiegsszene werden mehrere Alltagssituationen miteinander kombiniert. Begleitet von Motorengeräuschen, Vogelzwitschern oder Meeresrauschen werden Impressionen vom Hafen und der Stadt Gibraltar eingefangen, bis der Fokus der Aufnahmen auf einen Autounfall rückt. In dieser Szene ist Rike, die von Susanne Wolff gespielte Protagonistin, erstmals zu sehen und tritt als Notärztin am Unfallort auf. Doch auch hier beschränkt sich die dramaturgische Gestaltung der Filmmusik auf alltägliche Geräusche, auf Sirenen des Krankenwagens und die klare, aber monotone und kurz angebundene Kommunikation zwischen den Rettungskräften.
Ohne Umschweife wird im Anschluss gezeigt, wie Rike Unmegen an Proviant in ihre Segelyacht lädt und aufs offene Meer fährt. An diesem Punkt beginnt ihre weite Reise, die ursprünglich direkt an ihr Ziel, eine Atlantikküste, führen sollte. Stattdessen findet sie sich nach einem Sturm auf hoher See mit ihrer Yacht in unmittelbarer Nähe zu einem treibenden Fischkutter, der mit Dutzenden von Menschen überfüllt ist. Nachdem sie sich wiederholt wie vorgeschrieben an die Küstenwache wendet und Unterstützung fordert, jedoch keine konkreten Informationen zur Rettung des Kutters zurückgemeldet bekommt, ist sie sich unschlüssig, wie sie sich verhalten soll und überfordert, als Menschen bei dem Anblick ihres Segelboots vom Kutter springen, um sie zu erreichen.
Obwohl ihr ein eigener Eingriff in die Situation von der Küstenwache strikt untersagt wurde, sieht sie keinen anderen Ausweg, als selbst zu handeln und nimmt einen der Jungen, der sich kläglich schwimmend auf ihr Boot zubewegt und ohne ihre Hilfe ertrunken wäre, in ihre Obhut. Während sie ihr Bestes gibt, den Jungen namens Kingsley zu stärken, wird deutlich, dass die anderen Menschen auf dem Fischkutter ohne Hilfe nicht mehr länger überleben können. Wieder findet sich Rike in einem inneren Konflikt geprägt von Angst, Einschüchterung und Gewissensbissen. Sie entscheidet sich jedoch erst, auf das überfüllte Boot zu gehen und zu helfen, als beinahe alle Menschen, die sich dort befanden, entweder von Bord gesprungen und ertrunken oder auf dem Boot in lebensbedrohlichem Zustand sind.
Schließlich kommt auch die Rettungseinheit der Küstenwache an. Für die Rettung der Menschenmasse, die sich zu Beginn noch auf dem Kutter befand, ist es mittlerweile viel zu spät. Der Film endet mit einer Nahaufnahme von Rikes Gesicht, als ihr von einem der Hilfskräfte mitgeteilt wird, dass nun gegen sie ermittelt werde, weil sie eigenständig eingegriffen hat.
Was steckt dahinter?
Nach der Filmvorführung hatte jeder aus dem Publikum die Möglichkeit, Fragen an das Team zu stellen. Dabei übernahmen vor allem Wolfgang Fischer, der Regisseur, und Susanne Wolff, die die Hauptrolle spielte, das Wort. Fischer erklärte unter anderem erneut, wie schwierig es war, die Ideen aus dem Drehbuch von Ilka Künzel umzusetzen, weil die gesamte Dreharbeit von der Wetterlage vor Ort abhängig war. Aus diesem Grund musste das Drehbuch auch etliche Male umgeschrieben und angepasst werden.
Darüber hinaus legte Wolfgang Fischer offen, wie lange er das Projekt schon begleitet. Sieben Jahre wurden die Idee weiterentwickelt und die Filmmaterialien aufgenommen. Davon stand ihm fast drei Jahre lang Susanne Wolff als Besetzung der Hauptrolle zur Seite. Wolff teilte mit den Besuchern der Lichtburg am Montag persönliche Gedanken, als sie von ihrer größten Herausforderung während des Drehs spricht. Am schwersten wäre es ihr immer gefallen, ihre Rolle als eine so ruhige Person in einer enormen Ausnahmesituation darzustellen, meint sie dazu. Jetzt hält sie genau diesen Zug für eine der großen Qualitäten des Films.
Persönliche Kritik
Der Film thematisiert eine sehr aktuelle Problematik und die grundsätzliche Fragestellung „Wer bin ich? Wer möchte ich sein?“. Dabei steht im Vordergrund immer wieder der Hilfsgedanke. Durch die Beschränkung der Filmmusik auf Alltagsgeräusche und kurz gefasste Kommunikation auf der Segelyacht mittels Funkgeräten wird der Betrachter auf eine unerwartete Weise an die Handlung gefesselt. Der Betrachter fühlt sich den Rollen und der Situation viel näher und sieht den Wahrheitsgehalt der Geschichte klar und deutlich.
Meiner Meinung nach stellt dieser Film dadurch erfolgreich einen Gegensatz zu den zahlreichen, teuer produzierten Blockbustern, die die Reize des Betrachters maßlos überfluten, dar. Ich würde den Kinobesuch jedem empfehlen, der bereit ist, diesen nicht nur als Spaßerlebnis zu sehen, sondern auch als Chance, sich näher mit einem so aktuellen, relevanten Thema auseinanderzusetzen.