Wearable, das  – Substantiv, Neutrum – ist vereinfacht beschrieben die Verschmelzung aus Kleidung und Computersystem. Dabei handelt sich sich um eine Symbiose von Gegenständen, Kleidung oder Accessoires mit viel Technik. Diese smarten, digitalen und vor allem immer intelligenter werdenden Produkte sind eines der Hauptthemen auf der diesjährigen IFA in Berlin – Die IFA überlässt ihnen sogar die Hauptrolle am Eröffnungstag im Innovation-Hub.

Vernetzung des Menschen, seiner Freizeit mit dessen Umwelt

Wesentlich ist vor allem die Auflösung der Grenzen zwischen den jeweiligen Geräten mit ihrem singulären ursprünglichem Nutzen. Beispielsweise dient die klassische Armbanduhr bereits lange nicht nur zum Ablesen der Zeit und nützt vielleicht noch als Modeaccessoire. Vielmehr vernetzen ihre modernen und digitalen Gegenstücke, die Smartwatches, Menschen mit ihrer Umwelt. Wer früher zur Orientierung und zur Absprache eine Stadtkarte und eine Uhr sowie idealerweise die nächste Telefonzelle kannte, der braucht heute eine Smartwatch und ein Smartphone.

Dabei werden Wearables Teil unseres Alltags und verdrängen oder ergänzen analoge beziehungsweise nicht-digitale Gegenstände. Hersteller achten vermehrt nicht nur auf die technischen Details der Geräte – Smarte Geräte sollen sich nahtlos in einen modernen Lifestyle integrieren lassen. Das vermeintlich stylische Aussehen rückt dafür verstärkt in den Fokus, bei Herstellern und Verbrauchern. Damit sollen die bisherigen Konsumentengruppen erweitert, die eigene Produktpalette ergänzt und am Ende immer schneller neue, teurere und smartere Produkte hergestellt und verkauft werden.

Smartwatch ist der Platzhirsch

Unangefochten an der Spitze der Wearables ist die Smartwatch – sie kann alles. Neue auf der IFA vorgestellte Modelle sind beispielsweise die Fitbit Charge 3 und die Vivosmart 4 von Garmin. Erstere misst nicht nur die sportliche Aktivität des Nutzers und meldet Herzschlag sowie Kalorienverbrauch. Sie kann 15 Sportarten erkennen und aufzeichnen, sowie Schwimmübungen protokollieren. Damit unterstützt sie intelligent den Nutzer. Die Vivosmart 4 steht dem in nichts nach und kann als erster Fitnesstracker die Sauerstoffsättigung im Blut messen. Dies soll den Nutzer auf eine mögliche Schlafapnoe aufmerksam machen.

Wesentlicher Anwendungsbereich von Wearables ist noch immer der Sport, jedoch verschwinden auch hier die Grenzen und eine weitere Vernetzung von Lebensbereichen und Geräten wird sichtbar. Neben der Smartwatch, die die Sauerstoffsättigung misst, gibt es ein immer größer werdendes Feld der Schlafoptimierung. Diese geht mittlerweile weit über die App auf dem Handy, die Schlafrythmus misst und Verbesserungspotenzial vorschlägt, hinaus. Philips stellt auf der IFA die SmartSleep vor. Dabei handelt es sich um eine Art Stirnband mit Sensoren und Lautsprechern, die wärend des Schlafs getragen wird – zusätzlich zeichnet eine App auf dem Smartphone die Schlafphasen auf und wertet diese grafisch aus. Besonderes Gimmick ist die aktive Unterstützung dieses Gegenstandes für einen (vermeintlich optimalen) Schlaf. Beim Nutzer werden die Schlafphasen anhand von Sensoren gemessen, so die Tiefschlafphase erkannt und mithilfe von Tönen auf bestimmten Frequenzen, Lautstärke und Dauer diese Phasen verlängert. Hier wird nicht versucht durch die Frequenz der wechselnden Mode den Kunden zu binden, stattdessen müssen die Sensoren alle drei Tage ausgetauscht werden.

Ausschöpfung des Potenzials oder gefährliche Selbstoptimierung?

Nun, was ist der gemeinsame Nenner aller Wearables? Sie analysieren, aufbereiten und vernetzen unser Leben und uns – Das Ziel ist die Optimierung unseres Verhaltens und unseres Lebens. Sei immer erreichbar, sei besser, sei smarter und sei bereit, dich zu optimieren. Das sind die Imperative der vernetzten Gegenstände in unserem Leben. Wearables helfen dir dabei, dich zu verbessern und dich zu optimieren – so jedenfalls das Versprechen.

Was ist die Folge der Vernetzung und Selbstoptimierung? Anfang des Jahres wurde bekannt, dass durch die Bewegungsprofile von US-Soldaten, die mithilfe von Smartwatches gesammelt wurden, geheime Standorte der Arme hätten aufgedeckt werden können. Durch die Nutzung dieser Geräte – das zeigt die Realität – generieren wir viele Daten, Daten über uns und unseren Lebensstil. Was mit der Masse an Daten passiert und wo sie landet, das ist den meisten Besitzern von Wearables nicht klar, vielleicht wollen sie es auch lieber nicht wissen. Das gesammelte Datenprofil kann ein genaues Abbild des Nutzers sein, das durch Datenlecks in die falschen Hände geraten könnte. Ein anderer Ansatz, der in der Gesundheitspolitik erste Verwendung findet, zeigt wie durch Vernetzung und Austausch von Daten Verhalten gesteuert werden soll. So gibt es erste Krankenkassen, die ihre Beiträge senken, wenn man damit einverstanden ist, dass die eigenen Daten via Wearables abgetreten werden und das Ziel ein gesünderer Lebensstil ist.

Neben der Masse an Daten ist die Selbstoptimierung und Verbesserung des eigenen Verhaltens eine Konsequenz aus der Nutzung der smarten Geräte. Dabei steht der Zwang zur Selbstkontrolle und zum „idealen“ Leben im Mittelpunkt. Ziel ist die Abgewöhnung von Lastern, von Eigenschaften und von ganz indviduellen Charaktereigenschaften, die jeden Menschen auszeichnen. Ich persönlich neige dazu, gelegentlich am Morgen ein Franzbrötchen oder sogar eine Quarkschnecke mit Rosinen beim Bäcker meines Vertrauens zu kaufen, dazu einen Kaffee – schon bin ich bereit für einen langen Arbeitstag! Mit Smartwatches und Co. wären diese kleinen Laster nicht mehr drin, Ziel ist ja der optimierte und smarte Mensch.

So bleiben am Ende nicht nur Vorteile der Wearables, sondern auch Nachteile. Jeder Nutzer sollte sich dies bewusst machen und den potenziellen Eingriff in das Privatleben mit den vermeintlichen Vorteilen der smarten Vernetzung abwägen.