Wer gerne liest und vielleicht ab und an selbst mal schreibt, träumt häufig von einer Karriere als Lektorin oder Lektor. In Zeiten, in denen man unkompliziert sein eigenes Buch über verschiedene Book-on-Demand-Anbieter auf den Markt bringen kann, wenden sich nicht nur Verlage, sondern auch selbstständige Autoren an freie Lektoren, um lieber noch einmal jemanden über das eigene Werk drüber gucken zu lassen. Aber kann man das nicht auch den besten Freund oder die Bekannte mit dem guten Schreibstil machen lassen?

„Lektoren konzentrieren sich auf das Wesentliche – und oft braucht es einfach einen Blick von einer fremden Person“, erklärt Susanne Pavlovic. Sie leitet den Lektoratsservice „Textehexe“, ein Team aus fünf Lektorinnen, die ihre Dienste vor allem für Selfpublisher anbieten. „Ich bin quasi die Oberhexe“, scherzt sie.

Krimi, Romanze, Fantasy – Autoren aller Genres legen ihr ihre Werke zur Prüfung vor. „Ich schaffe vielleicht zehn Normseiten in einer Stunde“, erzählt sie. Zur Erklärung: Eine Normseite besteht aus 1800 Zeichen. Textauszüge aus lektorierten Manuskripten zeigt sie am Freitag auf der Frankfurter Buchmesse. So kann das Publikum nachvollziehen, wie ein Text verändert wurde. Dabei haben die Autoren stets die freie Wahl, ob sie Susanne Pavlovics Änderungsvorschläge annehmen. „Hier hätte ich zum Beispiel noch viel mehr Adjektive gestrichen“, erklärt sie und zeigt einen Text einer Autorin, in dem die Protagonistin bei der Bäckerin einkauft. „Die arme Frau muss ständig verschmitzt grinsen und verschwörerisch zwinkern – der Leser wird dadurch überfordert.“ Sie rät Schreibenden, lieber sparsam mit Adjektiven umzugehen. „Jedes Adjektiv ist auch eine Aufforderung an den Leser, sich etwas genau so vorzustellen. Da kommt er dann irgendwann nicht mehr mit.“ Auch beim Satzbau sollten Autoren aufpassen: „Wenn alle Sätze nach dem gleichen Muster aufgebaut sind – Subjekt, Prädikat, Objekt, Punkt – liest sich das sehr abgehackt.“

Gerne machen Autoren auch den Fehler, Figuren lange überlegen zu lassen, wie die Lektorin an einem weiteren Text verdeutlicht. Protagonistin Carla überlegt hier vor dem offenen Kühlschrank, ob sie sich eine Tiefkühlpizza gönnen soll. „Wenn ich hier jetzt ‚Carla überlegte‘ lese, passiert genau das“, erklärt sie – und sitzt danach für mehrere Sekunden einfach nur still da, um angestrengtes Denken zu simulieren. „Es passiert einfach nichts.“ Sie vergleicht diesen Effekt mit ausschweifenden Landschaftsbeschreibungen: „Die Figuren warten brav und machen erst mit ihrem Leben weiter, wenn die Beschreibung durch ist.“

Dennoch, so Pavlovic, wolle sie „ihren“ Autoren ihren Stil nicht austreiben. „Das wäre ab einem bestimmten Punkt ja auch übergriffig. Außerdem ist es ja nicht mein Job als Lektorin, Bücher umzuschreiben.“ Sie schreibe selbst gerne Fantasyromane und wisse natürlich auch, wie es sich für einen Autor anfühlt, nicht auf seinen Stil verzichten zu wollen – daher sei der Autor auch immer der Boss, der über die finalen Änderungen entscheidet. Empfindet man einen lektorierten Text trotzdem als ein Stück Eigenleistung? „Klar. Die Liebe zu einem lektorierten Text ist anders als die Liebe zu einem selbst geschriebenen. Aber sie ist da.“