Der Stadtrundgang beginnt im Schatten der Bäume am Schillerplatz in Mannheim. Er ist Teil des Programms bei der diesjährigen youcon mit dem Thema „Bildung 2030 – Wir gestalten das Systemupdate“. Jedoch werden wir nicht viele Sehenswürdigkeiten sehen. Denn schon im kleinen Rahmen der quadratischen Innenstadt häufen sich die Beispiele für das Thema des Rundgangs –  (Post-)Kolonialismus in Mannheim.

Sefa Yeter, der uns in den nächsten zwei Stunden zu (post-)kolonialer Geschichte in Mannheim erzählen wird, stellt gleich klar: Wenn er von Postkolonialismus spricht, dann geht es um Neukolonialismus, denn koloniale Strukturen wirken noch heutzutage – überall, aber halt eben auch in Mannheim.

A: Statue Friedrich Schillers

Wir schauen auf eine leicht verwitterte Statue Friedrich Schillers. Hier fand 1782 die Uraufführung von „Die Räuber“ statt. Ein Stück, das noch heute in Schulen analysiert wird. Doch die Passage, die wir hören, ist von rassistischen Stereotypen geprägt. Wenn ich die Statue anschaue, stelle ich mir vor wie Schiller imposant eine Unterhaltung führt. Seine rechte Hand zeigt über den Platz und in der linken Hand hält er einen Text. Sein Kopf ist leicht zur Seite geneigt, was normalerweise einen nachdenkichen Eindruck auf mich machen würde, aber diese Abbildung Schillers wirkt wissend und selbstbewusst. Sefa stellt den Begriff des kontrapunktischen Lesens, also einer mutlidimensionalen Betrachtungsweise von Geschicht, vor. Denn zu oft ist unser Wissen eurozentristisch und andere Perspektiven werden nicht in die Erinnerungskultur einbezogen. So haben Vertretende des romantisierten Zeitalters der Aufklärung auch rassistische Denkweisen geprägt.

B: Kulturbetrieben Zeughaus und Reichs Engelhorn Museum

Zwischen den wichtigen Kulturbetrieben Zeughaus und Reichs Engelhorn Museum werden wir mit der Frage des Erinnerns und Nicht-Erinnerns konfrontiert. Denn diese Kultubetriebe haben auch sogenannte Expeditionen in deutsche Kolonien unterstützt und in ihren Kellern und Ausstellungen befinden sich schätzungsweise noch 40.000 Raubgutexponate – unter anderem auch menschliche Skelette. Langsam beginnt die Aufarbeitung deren Geschichte, doch viel zu langsam und sie scheint auch noch keine große Reichweite zu erreichen wie uns die Stadtführenden berichten.

C: Theodor Bumiller Haus

Das Theodor Bumiller Haus ist mittlerweile eine psychologische Beratungsstelle. Doch der alte Prunk des Hauses und die Wichtigkeit des ehemaligen Bewohners sind noch deutlich. Die Villa hat eine edel verzierte Tür und eine aufwendige Hausfassade, die einen antiken Tempel mit Säulen zu imitieren scheint. Bumiller war eine bekannte Persönlichkeit in Mannheim und verheiratet mit der Tochter von Heinrich Lanz. Ein Studentenwohnheim ist auch noch immer nach ihm benannt. Jedoch war er auch ein Teil der Wissman Truppe, die für Plünderung, blutige Zerschlagung verschiedener Aufstände und Zerstörung in „Deutsch-Ostafrika“ verantwortlich war.

Je mehr wir auf dem Stadtrundgang lernen, desto lauter werden die Stimmen und Fragen der Teilnehmenden.

 Wie kann es ein, dass ich nie vom Maji Maji Aufstand in der Schule gelernt habe? Oder eigentlich nichts über den Genozid an den Herero und Nama weiß?

D: Ehemaliges Apollo Theater

Am Apollo Theater lernen wir, dass es auch Gegenstimme zum kolonialen Projekt gab. Nichtsdestotrotz ist die deutsche Kolonialgeschichte eher von Sklaverei, Unterdrückung oder sogenannten Völkerschauen, etc. geprägt.

Am Abend wird die Sammelwand mit wichtigen Erfahrungen aus dem Tag in der Jugenherberge voller Fakten vom Stadtrundgang sein. Das ist schön zu sehen, aber auch traurig, dass diese kolonialen Verbrechen für viele neu waren. Deutschlands Kolonialvergangenheit darf nicht mehr unter den Teppich gekehrt werden und muss unbedingt Teil des Schulkurrikulums werden. Denn der Mythos, dass deutsche Kolonialgeschichte nur sehr gering und kurz war, wurde bei diesem postkolonialistischen Stadtrundgang eindeutig widerlegt. Jetzt liegt es an uns sich zu erinnern und die noch wirkenden kolonialen Strukturen und Denkweisen aufzudecken und zu hinterfragen – damit wirklich allen bewusst wird wie absurd und rassistisch eine Einteilung der Welt in „zivilisiert“ und „unziviliert“ ist wie z.B. erst neulich wieder in den Medien geschah.

Der (Post)Koloniale Stadtrundgang wurde vom Eine Welt Forum in Mannheim angeboten.