Für manche ist das Leben mit Stress eine simple Sache, da sie wissen, wie sie sich am besten regulieren. Leider gibt es viele Menschen, die mit Hindernissen dieser Art nicht so gut klarkommen können. Hier kann es sogar dazu kommen, dass sich mentale Beschwerden entwickeln, die das Leben um einiges erschweren. Sei es der Leistungsdruck durch die Universität, das Einhalten der Fristen oder einfach die Überforderung mit einem überfüllten Alltag: Studierende haben viele Leiden, die in der Öffentlichkeit untergehen. Doch wie kommen diese genau zustande und wie können wir es schaffen, uns davon zu erholen?
Woran liegt das?
Das Studium beginnt meistens mit der Vorstellung einer neuen Etappe des Lebens. Vermutlich denken die meisten erst gar nicht daran, welche Nachteile ihr neues Leben mit sich bringen könnte und sind entsprechend ratlos und unvorbereitet, wenn es dann passiert. Überforderung, Angst, Einsamkeit sind Gefühle, die nun an der Tagesordnung stehen. In einer Studie der Techniker Krankenkasse (2023) geben 68 Prozent von 1000 Studierenden an, in den vergangenen 12 Monaten unter starkem Stress gelitten zu haben, was zu Erschöpfung führte. Rückenschmerzen, Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen gehören zu den Beschwerden, unter denen mehr als 50 Prozent der Beteiligten leiden. Im Vergleich zu einer vorherigen Untersuchung haben die Zahlen sich stark verschlechtert und die Corona Pandemie hat sich als Störfaktor erwiesen. Dadurch, dass nach Beginn der Quarantäne ausschließlich digitaler Unterricht stattfand, war es für die Studierenden schwierig, soziale Kontakte zu knüpfen. Die, die ihr Studium zu dieser Zeit begannen, haben bis 2023 noch immer das Problem der Einsamkeit, fehlender Bewegung sowie einer verlängerten Bildschirmzeit.
Das Burnout mag für viele etwas sehr unrealistisches sein, für Linh ist es aber die harte Realität geworden. Linh ist eine 24-Jährige deutsch-Vietnamesin. Sie studiert aktuell ihren Master in Digital Sciences, hätte aber vor einigen Jahren gar nicht daran gedacht, dass sie so weit kommen wird. Das Syndrom machte sich bei ihr beispielsweise durch Antriebslosigkeit, Ungeduld, Reizbarkeit und dem Verlust ihres Selbstwertes bemerkbar. Auch körperlich äußerte es sich durch Kopfschmerzen, ständige Müdigkeit sowie andere Symptome. Besonders auffällig wurden die Symptome während sie ihre Bachelorarbeit schrieb.
„Ich fühlte mich, unabhängig davon wie viel ich geschlafen habe, dauerhaft müde. Tagsüber verfolgte mich ein komisches Gefühl der Vorahnung, als würde mir etwas Schlimmes bevorstehen. Dieses Gefühl war mit starker Schuld verbunden. Ich habe mir nur gewünscht, nichts mehr mit dieser Arbeit zu tun haben zu müssen. Rückblickend erinnere ich mich nur noch lückenhaft an diese Zeit. Es fühlt sich so an, als wäre mein Gehirn damals gar nicht in der Lage gewesen, Informationen richtig abzuspeichern. Ich war vergesslich und hatte häufig Migräne. Außerdem wurde ich oft krank und hatte das Gefühl, als würde ich an einer ernsthaften Krankheit leiden. Inzwischen weiß ich, dass das alles zum Burnout gehört.„ Ihre Worte kommen jetzt mit einer Leichtigkeit, die vor einiger Zeit bestimmt nicht möglich gewesen wäre. Beziehungen zu Freunden und Familie haben zu der Zeit stark gelitten, weil sie sich zurückzog, um keine Last zu sein. Anfangs meldeten sich ihre Freunde noch aus Sorge bei ihr; mit der Zeit nahm dies aber stark ab. „Das passiert oft, wenn man sich verschließt. Das kann ich auch niemandem verübeln.„
Aber ist Stress nicht auch normal? Unterschiede zwischen normalem Stress und Burnout
Stress ist ein Zustand, in dem der Mensch mehr Ressourcen seines Selbst mobilisiert, als üblich. Dabei wird mehr Kraft eingesetzt, als möglich und der Mensch überbelastet. Das Burnout ist ein Syndrom, das auftritt, wenn dieser Stress zu lange anhält und den Betroffenen laufend belastet. Es entsteht ein Gefühl des Ausgebranntsein und der Erschöpfung, was zu einer Auswegslosigkeit führt. Dies kann im nächsten Schritt zu einer Depression werden.
„[…] Ich dachte aus irgendeinem Grund, dass die Dinge laufen würden, da ich einen Job hatte und regelmäßig zur Uni ging. Ich habe viele Warnsignale übersehen oder als normal abgetan. […]„ Der Übergang von normalem Stress hin zum Burnout kam bei ihr unbemerkt, da sie sich die meiste Zeit auf sich selbst konzentrierte und sich selbst die Schuld für Fehlschläge gab. Linh glaubt, ohne ihre Freund*innen wäre es ihr nicht möglich gewesen, zu verinnerlichen, dass etwas nicht stimmt.
Es ist nicht möglich, Stress ganz zu entkommen; das ist klar. Wichtig ist aber zu erkennen, dass er da ist und dass es nicht notwendig ist, ihn in einer solchen Stärke zu ertragen. Bei einer Vergleichsstudie aus 2017 zeigt sich, dass der Gesamtwert der emotional erschöpften Studierenden auf 25 Prozent beschränkte. Dieser Wert ist bis 2023 auf signifikante 37 Prozent gestiegen und treibt das Risiko auf ein Burnout deutlich voran. Studium und Beruf zur gleichen Zeit bewerkstelligen zu können ist eine starke Leistung, die leider oft dazu führt dass Studierende an ihre Grenzen stoßen.
Prävention und Stressbewältigung
Der Umschwung von alltäglichem Stress zu chronischem Stress geschieht oft ohne Vorwarnung, weshalb es umso wichtiger ist, möglichst früh Symptome wie innere Unruhe oder Stress zu erkennen. Um einem Burnout vorzubeugen ist es also wichtig, sich zu erholen, indem eine Trennung von Freizeit und Studium stattfindet. Linh hat sich eine Auszeit von der Uni genommen und gelernt, Dinge für sich selbst zu tun. „[…] Ich habe mich zu Dingen gezwungen, die nichts mit dem Studium zu tun hatten. Zum Beispiel bin ich jeden Morgen zur gleichen Uhrzeit Spazieren gegangen, auch wenn ich mich nicht danach fühlte und währenddessen das Gefühl hatte, Zeit zu verschwenden. Nach einer Weile habe ich mich darauf gefreut den Sonnenaufgang zu sehen und habe mir selbst eingestanden, dass es in Ordnung ist Zeit zu „vergeuden“ und auch etwas für mich zu tun. […]„
Eine weitere Methode ist es, sich am Tag ein paar Minuten zu nehmen, um über seine Sorgen und Ängste nachzudenken und diese anschließend dann wieder gehen zu lassen. Aktivitäten im Freien, Treffen mit Freunden sowie Meditation können einem helfen, sich zu erholen und die innere Ruhe zu fördern. Wichtig ist es, hierbei eine Routine zu finden, die mit Methoden gefüllt ist die zu einem selbst passen. Die Erholungsmethoden sollen keinen weiteren Stressfaktor darstellen und es muss immer klar sein, dass die Routine da ist, um zu helfen.
Was tun bei einem Burnout?
Wenn es dann doch zu einem Burnout kommt, kann das sehr anstrengend werden. Eine ständig herrschende Müdigkeit und das Gefühl, unproduktiv zu sein fördern die mentale Lage nicht gerade. Hier kann es helfen, ab und zu auf sein Inneres zu hören, da wir oft Dinge tun, bei denen wir uns eigentlich nicht wohl fühlen. „Der Druck kam eher von mir selbst. Damals dachte ich noch, dass er von außen kommen würde, in Wirklichkeit habe ich vieles in meinem Kopf größer gemacht, als es tatsächlich war. […]„ Mittlerweile ist es Linh möglich gewesen, zu reflektieren und daran zu arbeiten, damit sie nicht in Situationen gerät, in denen sie sich unwohl fühlt. Manchmal kann es hilfreich sein, sich aus Plänen rauszuhalten und sich Zeit zum Alleinsein zu nehmen. Wichtig ist: Grenzen setzen und erkennen, dass die anstehenden Aufgaben nicht zu überfordernd sein dürfen, da es sonst schwer ist, sich zu entlasten.
Was lernen wir daraus?
Stress gehört zum Alltag dazu und wird auch unter Studierenden weiterhin zur Tagesordnung gehören. Wichtig ist, sich ablenken zu können, damit es nicht zum Extremfall Burnout kommen muss. Hierbei kann es helfen, aktiv auf die eigene körperliche Gesundheit zu achten, sich genug zu bewegen, seine Lebensgeschichte und die Situation zu akzeptieren und Probleme lösen zu lernen.
Zwischenmenschliche Kontakte tragen ebenso dazu bei, dass wir einen gesunden Ausgleich haben und Schutzfaktoren aufbauen und uns entspannen können. Es ist von hoher Bedeutung, sich Hilfe zu holen und aktiv dazu beizutragen, sich selbst zu helfen, damit keine Depression entsteht, deren Heilung nicht leicht ist.
„Ich habe oft das Gefühl, dass viele Studierende ihre mentalen Probleme im Studium gar nicht richtig wahrnehmen. […] Es ist auch nicht so, als würden wir nicht darüber sprechen; ich habe eher das Gefühl, dass wir uns nicht wirklich zuhören oder verstehen. […]„
Wichtig ist es also, sich klarzumachen, dass ein schlechtes Gefühl, auch nur ein Gefühl ist. Es existiert aus einem Grund und sollte nicht verdrängt werden, denn das tut keinem gut. Um sich selbst und anderen zu helfen ist die Voraussetzung, sich Gedanken zu machen und Hilfe zu suchen. Dabei ist eines klar: die Institution muss Studierenden entgegenkommen und ein offenes Ohr haben, besonders in Zeiten wie heute. Wenn die Politik und das Leben in der Gesellschaft ein Hindernis darstellen, sollte die Uni nicht auch ein Stein im Weg sein. „Seid präsenter und habt mehr Einblick in die psychischen Probleme von Migrakindern„, sagt Linh abschließend.
Quellen:
Bergmann, J. (2023, February 8). Unterschied zwischen Stress und Burnout. Akademie Für Sport Und Gesundheit. https://www.akademie-sport-gesundheit.de/magazin/stress-burnout.html#stressundburnoutwasistderunterschied
Hoffmann, J. (2024, August 6). “Ein Drittel der Studierenden ist Burnout-gefährdet” – Wir Techniker. Wir Techniker. https://wirtechniker.tk.de/2023/06/28/ein-drittel-der-studierenden-ist-burnout-gefaehrdet/
Schröder, F. (2023, June 19). Burnout im Studium: von der Last des Lernens. HelloBetter. https://hellobetter.de/blog/burnout-studium/