„Die Frage, ob ein Wort jetzt mit einem Sternchen oder Unterstrich geschrieben wird, bringt uns beim Thema Gleichstellung nicht weiter.“ – Susanne Eisenmann (CDU), Kultusministerin in Baden-Württemberg
Die Thematik rund um die Gleichberechtigung ist größer und präsenter denn je in unserer Gesellschaft. Sie beinhaltet die Diskussionen um die „Gender Gap“, die „Gender Pay Gap“, der Anerkennung von mehreren Geschlechtern und vom Gendern. Wollen wir uns also mit dem Gendern in der deutschen Sprache auseinander setzen, kommt man automatisch auf mindestens eines der anderen Probleme zurück. Es gibt Stimmen, die fordern, dass das Gendern in der Schule stärker auftreten müsse, andere jedoch sind strikt dagegen. Wie also soll man mit der Thematik umgehen, wie soll man es allen recht machen?
Gendern ist ein Begriff der mittlerweile weit verbreitet ist. Er steht dafür, geschlechterbewusst zu sprechen. In der deutschen Sprache ist die männliche Form der Ansprache standardisiert. Lehrer. Verkäufer. Doktor. Es war lange der Standard und ist es für viele heute noch, dass sich beide Geschlechter mit der männlichen Form angesprochen fühlen.
Durch Feminismus-Bewegungen in den 1960er-Jahren forderten Feministinnen die Aufmerksamkeit für ihr Geschlecht. Mithilfe eines Schrägstriches sollten auch sie einbezogen werden. Lehrer/in. Verkäufer/in. Doktor/in. 1983 wurde das Binnen-I durch die schweizerische Wochenzeitung WOZ erstmals öffentlich eingeführt und bildet einen Ersatz für den Schrägstrich. 2021 wurde dieses durch den Doppelpunkt abgelöst.
Seit den 1970er-Jahren traten vermehrt transsexuelle Menschen in die Öffentlichkeit. Jedoch wurde erst 2003 vorgeschlagen, diese Menschen durch die Gender-Gap, den Unterstrich, deutlich zu machen. Sechs Jahre später wurde das Gendersternchen, das Asterisk, eingeführt. Dieses soll für alle Geschlechter stehen, welche sich nicht als männlich oder weiblich identifizieren.
Da sehen wir auch schon die erste Verknüpfung vom Gendern mit den anderen Problemen. In diesem Fall die Aufklärung über die Geschlechter. Biologisch betrachtet gibt es nur die zwei Geschlechter männlich und weiblich, die zwei Formen Mann und Frau. Das nicht-binäre Geschlechter-Spektrum, die einzelnen Unterteilungen von Transsexuellen, haben kaum ein Ende. Ein Freund von mir hat probiert, mir das zu erklären. Man solle sich vorstellen, dass man eine Waage sei. Ist die Wage im Gleichgewicht, neutral, sei man transgender. Doch sobald die Waage beginnt sich zu neigen, bewegt man sich tendenziell eher in eine Richtung zu den bekannten biologischen Geschlechtern. Je weiter sich die Waage zu einer Seite zuneigt, je klarer das Ergebnis ist, desto deutlicher kann man sagen, was man ist. Jedoch gibt es auch Menschen, wie genderfluide Personen, bei denen diese Waage ständig in Bewegung sei, da ihre Identität von ihren Stimmungen und äußeren Einflüssen abhängig ist.
„Sprache bildet nicht nur die gelebte Realität ab, sie schafft auch Realitäten“ sagt Christoph Alms vom Netzwerk LSBTTIQ. Ihm zufolge bildet die standardisierte Form der Ansprache in der männlichen Form, also eine männliche geprägte Gesellschaft, ab. In dieser seien Frauen weniger bis gar nicht emanzipiert und alle, die sich nicht mit dem biologischem Geschlecht identifizieren, fühlen sich ausgeschlossen. Achten wir aber im Umgang mit anderen Menschen auf die Verwendung einer geschlechterbewussten Sprache, wird niemand ausgeschlossen und jeder angesprochen. Es kommt auch nicht zu unangenehmen Momenten, weil man die falsche Ansprache gewählt hat, nur aufgrund äußerlicher Merkmale, durch welche man voreingenommen ist.
1992 argumentierte Hermes Phettberg, österreichischer Autor und Schriftsteller, für eine entgendernde Sprache, eine geschlechtsneutrale. Man verwendet dabei den neutralen Artikel das und hängt an den Wortstamm im Singular ein -y. So würde aus „die Schüler“ „das Schülys“ werden und aus „die Lehrer“ „das Lehrys“. Diese Art des Genderns scheint am neutralsten, jedoch sagt Phettberg selbst, dass die Art nur dafür gedacht sei, sie zu verwenden, wenn das Geschlecht des Konversationspartners nicht bekannt sei. Sie ist also keine Dauerlösung, da sie auch schwer in die deutsche Sprache integrierbar ist.
Doch es ist egal, für welche Variante des Genderns man sich entscheidet. Jede Variante, abgesehen von Phettbergs, ist nur ein Vorschlag vom Duden und teilweise nur schwer grammatikalisch richtig nutzbar.
„[Ich wehre] mich dagegen, dass von Behörden, Ministerien, Schulen und Universitäten, also staatlichen Eirichtungen, eine grammatisch falsche, künstliche und ideologisch motivierte Gendersprache verwendet wird, die ständig das Trennende betont“ äußerte sich Christoph Ploß von der CDU gegenüber dem Spiegel. Er ist der Meinung, dass das Gendern unsere Gesellschaft spalten würde. Ob dies stimmt, ist wahrscheinlich nur durch wissenschaftliche und statistische Untersuchungen nachvollziehbar. Doch macht das Gendern genau auf diese Trennung, die große „Gender Gap“, die „Gender Pay Gap“ (gleiche Bezahlung für alle Geschlechter) aufmerksam. Immerhin verdienen Frauen im Bruttoeinkommen 2022 laut Destatis immer noch durchschnittlich 18 Prozent pro Stunde weniger als Männer. Laut einer Studie der Amsterdamer Universität von Geijtenbeek und Plug sinkt das Jahreseinkommen bis zu 20 Prozent, wenn ein Mann sich eine weibliche Identität aneignet.
So singt auch Nura, eine bekannte deutsche Rapperin, in ihrer Single „Fair“ 2021 „Findest Feminismus lustig, weil du‘s nicht so siehst. Doch wenn ich Max heißen würde, würd‘ ich mehr verdienen“. Sie singt damit vielen jungen Menschen aus der Seele, die für mehr Gleichberechtigung sind.
Und Gleichberechtigung startet mit der richtigen Ansprache einer Person und der Akzeptanz deren Geschlechts. Wenn wir weiterhin standardisiert in der männlichen Form reden, wird sich kaum etwas ändern, weil wir damit akzeptieren, Stereotype anzunehmen und uns auch nicht wehren. Wir werden Untertanen des Systems.
Die Schule ist ein Ort, an dem sich junge Menschen entfalten sollen und wollen. So formen sich Lehrer:innen und Mitschüler:innen, die sie auf ihrem Weg länger oder kürzer begleiten. Wenn man also einen Lehry hat, welcher sehr offen mit dem Gendern umgeht und es in seinem Unterricht (inklusive seiner Tafelbilder) umsetzt, geht man offener an die ganze Thematik, als wenn man auf einen Lehry trifft, das sich der Thematik widerstrebt. Diese Lehrkräfte haben Vorbildfunktionen, ebenso wie Eltern, Geschwister, etc.
Man kann niemanden zum Gendern zwingen, dennoch wäre es wünschenswert, wenn Lehrer:innen auf das Gendern achten oder aber mit ihren Klassen und Kursen zu Beginn des Schuljahres besprechen, wie es mit dem Gendern gehandhabt werden soll.
Dennoch wird das Gendern immer auf die gesellschaftlichen Problem aufmerksam machen. Die Frage, ob man Gendern sollte oder nicht, ist nur die Spitze des Eisberges.