Samstagabend, der Raum ist mit Decken ausgelegt, vorfreudige Erwartung erfüllt die Luft, Applaus brandet auf und Haroon und Betül betreten die Bühne. Die beiden gehören zum iSlam-Team, einer Poetry-Slam Gruppe muslimischer Jugendlicher, die „mit Texten die Welt verändern wollen“. Mit diesen Worten eröffnet Haroon den Abend und lässt sofort sein Publikum mitspielen. „Wer von euch will noch die Welt verändern?“, ist seine Frage und die auf dem Boden sitzende Menge reißt begeistert die Arme hoch.
„Das Leben ist eine Reise. Sie beginnt, hat mehrere Etappen und ist irgendwann vorbei.“
Haroon Masood ist neunzehn Jahre alt und kommt aus Dortmund. Letztes Jahr war er in Australien, jetzt studiert er „irgendetwas mit international davor“ in seiner Heimatstadt. Nach einer langen Pause stand er auf der YoucoN zum ersten Mal wieder vor einem Publikum. In seinem ersten performten Text redet er von der Reise des Lebens. So erlebt die Person in seinem Text den Übergang von der Kindheit zum Erwachsensein.
Je mehr sie über die Welt erfährt, desto stärker entwickelt sie den Drang, diese zu ändern. „Schule und Hausaufgaben, Fußball und Naruto am Abend“, so beschreibt Haroon die Kindheit der Person, deren Gedanken sich mit dem Älterwerden immer mehr auf die Suche nach der Zukunft richten. Auch bei seinem zweiten Auftritt begeisterte Haroon das Publikum mit seiner lockeren Art. Er beschriebt die Geschichte von Zwillingen und deren Lebensweg: Der eine von beiden entwickelt sich in die Richtung des alkoholkranken Vaters, wohingegen der andere sich entscheidet, ein anderes Leben zu leben. Haroon betont, wie wichtig es ist, dass jeder immer eine Wahl treffen kann und man sich nicht einfach mit dem Leben abfinden muss.
„Sich selbst zu verändern bedeutet, die Welt zu verändern … Lasst uns gemeinsam die Welt verändern“
„Ein Job ohne Frauenquote? – Ich werde Hasspredigerin!“
Mit diesen Worten eröffnete Betül ihren ersten Text. Die 24-jährige aus Köln studiert Medienpsychologie und steht regelmäßig auf Poetry-Slam-Bühnen, um früh in der Branche Fuß zu fassen, „denn sonst wird man YouTuber“. In ihrer Hasspredigt ließ sie sich über die Verpflichtung aus, sich immer gut darstellen zu müssen, auch wenn sie verbal angefeindet wird. Auf die Frage, ob sie sich eher deutsch oder türkisch fühle, antworte sie gerne: „Wie fühlst du dich denn als Bio-Deutsche?“
So beschrieb die Situationen, in denen sie wegen ihres Kopftuchs als „Schleiereule“ bezeichnet wurde. Der Ausdruck erschien ihr jedoch „zu sinnlich für einen [echten] Nazi“ und zu schlecht für einen, der für sie „das Nazi-sein aufgeben“ würde. Außerdem hasse sie es, immer lächeln zu müssen, um nicht unterdrückt zu wirken. Von ihrem Herzthema „für Freunde da sein“ handelte ihr zweiter Text. Denn man sollte sich laut Betül nicht für seine Gefühle schämen, sondern häufiger nachts Zumba tanzen und Sucuk-Pizza essen.
„Ich hasse es, wenn ich gebeten werde, Fluchtwege und Türen freizuhalten. Ich denke dann immer: Zuerst du, Europa, zuerst du!“