Disclaimer: Dieser Text behandelt Themen wie Depressionen, Angststörungen und Therapien
Schilddrüsenerkrankungen sind in Deutschland, auch unter jungen Erwachsenen, weit verbreitet. Gerät die kleine Hormondrüse außer Kontrolle, kann es negative Auswirkungen auf Herz und Kreislauf, Verdauung, das Nervensystem oder auch das Wachstum haben, was sich wiederrum durch Antriebslosigkeit, Aufmerksam-keitsstörungen, Haarverlust oder auch Gewichtszunahme oder -abnahme äußert. Zu den betroffenen Personen gehören Lisa (23) und Jessica (22). Sie haben uns von ihren Erfahrungen mit der Krankheit erzählt.
Wie kam es zur Diagnose eurer Schilddrüsenerkrankung?
Lisa: „Ich habe aufgrund einer Depression und Angststörungen eine Therapie begonnen. Mein Hausarzt hat bei dem Konsiliarbericht für den Therapeuten vor einigen Wochen ein großes Blutbild angeordnet, um zu schauen, ob meine Krankheit nicht vielleicht mit einer körperlichen Ursache zusammenhängt oder von dieser begünstigt wird. Dabei habe ich eher an so etwas wie Eisen oder Vitamin D3 Mangel gedacht…
Das Ergebnis: alle Werte Tip Top, außer meine Schilddrüse.“
Jessica: „Bei mir war es ein sehr schleichender Prozess. Zuerst aufgefallen waren mir starke Müdigkeit in der Schule und dauernde Kopfschmerzen. Dazu hatte ich extreme Gewichtsschwankungen und eine ausbleibende Periode. Meine endgültige Diagnose Hashimoto-thyreoiditi bekam ich 2015, also vor 6 Jahren.“
Was war dein erster Gedanke?
Lisa: „Zuerst dachte ich: Ne, das kann ja gar nicht sein. Wieso denn Schilddrüse? Ich war ziemlich durcheinander und hatte zugegeben auch Angst. Mit einem Nährstoffmangel hätte ich gerechnet, den kriegt man einfach wieder weg und den hat ja eh fast jeder. Aber das zu hören, hat mich schon geschockt. Ich war dann aber irgendwie auch erleichtert, einen Grund für z. B. meine Leistungsschwäche, meine Antriebslosigkeit, meine dauerhafte Müdigkeit, meine Gewichtszunahme und und und… gefunden zu haben.“
Jessica: „Die erste Reaktion war: „Hashi… was?“ Danach folgte ein zweistündiges Aufklärungsgespräch. Erst war ich einfach nur überfordert, aber erleichtert, dass es nichts ist, mit dem man nicht leben kann.“
Hattest du zuvor schon Kontakt zur Krankheit?
Lisa: „Ich hatte mal darüber gelesen. Als ich damals die Pille abgesetzt habe, habe ich mir ein Buch über sie gekauft. Da stand jedes Organ drin, auf dass die Pille einen Einfluss hat, und die sie nachhaltig schädigen kann. Da war eine Doppelseite über die Schilddrüse. Aber da dachte ich mir nur: na ja, das würde ich ja merken.“
Wie hat die Krankheit dein Leben bisher beeinflusst?
Jessica: „Nach meiner Diagnose und regelmäßiger Tabletteneinnahme wurde es noch mal komplizierter als zuvor. Ich nahm zwar täglich Tabletten, doch an meinem Zustand änderte sich nichts. Es hat fast zwei Jahre gedauert, bis ich mich wieder wohler fühlte. In meinem Leben stand auf einmal alles auf dem Kopf. Egal wo ich hin kam, stieß ich auf Unverständnis. Oft bekam ich zu hören: „Mach doch einfach Sport“, „Iss doch einfach weniger“, „Stell dich nicht so an, jeder hat mal einen schlechten Tag“. Mir wurden so viele verletzende Worte an den Kopf geschmissen, die mich in starke Depressionen und eine Essstörung trieben, die mich aber auf der anderen Seite stärker machten.“
Inwiefern schränkt sie dich noch immer in deinem Leben ein?
Jessica: „Auch heute noch leide ich unter Müdigkeit, die es mir schwer macht, mich über einen sehr langen Zeitraum zu konzentrieren. Da mein Stoffwechsel und mein Immunsystem ziemlich schlecht ist, schränkt mich mein Gewicht ein und ich bin öfter krank als andere Menschen. Auch heute noch bleibt meine Periode aus, welches meine zukünftige Familienplanung einschränken wird. Aber vor Allem schränkt mich meine schlechte mentale Gesundheit ein. Trotz vieler Anfragen finde ich immer noch keinen Therapieplatz und versuche, soweit es geht selbst damit fertig zu werden. Aber immer wieder meine Freunde und Bekannte durch abgesagte Treffen und fehlendes Melden zu enttäuschen, macht mich sauer auf mich selbst.“
Was möchtest du Personen mit auf dem Weg geben, die ebenfalls mit einer Schilddrüsenerkrankung diagnostiziert wurden?
Jessica: „Es ist extrem wichtig einen Arzt des Vertrauens zu finden und mindestens eine Person aus eurem privaten Umfeld, welche euch unterstützt und versteht. Ich bin noch mitten in der Phase herauszufinden, wie ich mich wieder wohler fühle und so geht es euch sehr wahrscheinlich auch. Hört auf euren Körper, macht nur das was ihr für richtig haltet und hört nicht auf jeden Ratschlag, den ihr bekommt oder im Internet lest. Aber vor allem sollt ihr wissen, dass ihr nicht allein seid. Es gibt viele Menschen, denen es genauso geht und mit viel Selbstvertrauen, einem guten Arzt und Menschen, die euch lieben, schafft ihr es ein Leben zu führen, welches euch erfüllt und glücklich macht.“
Was sollte sich eurer Meinung nach, am Bewusstsein der Menschen ändern?
Lisa: „Ich würde mir wünschen, dass mehr darüber aufgeklärt wird und die Schilddrüse allgemein mehr Beachtung bekommt. Ich denke, nur, wenn man sich bewusst darüber ist, wie sich eine Schilddrüsenkrankheit äußert, kann man es erstens überhaupt in Erwägung ziehen und zweitens sehr schnell handeln. Also einfach sehr achtsam mit dem eigenen Körper sein. Denn dieses kleine Schmetterlingsorgan, so klein es auch ist, kann ordentlich Probleme machen. Die Schilddrüse ist unser Schlüssel zum hormonellen Gleichgewicht, da sollten wir schon etwas mehr auf sie achten und hören.“
Jessica: „Viele Erkrankungen kann man nicht direkt erkennen. Die meisten Menschen sehen nur Symptome, die auch von vielen anderen Erkrankungen oder schlechten Angewohnheiten kommen. Den Menschen muss klar sein, dass uns unkluge Kommentare und schlechte Ratschläge nicht weiterbringen, vielmehr brauchen wir Verständnis, Akzeptanz und Respekt.“