Als junger Mensch kann man den Eindruck gewinnen, dass Politiker oft nur sagen, Nachhaltigkeit sei ein wichtiges Ziel, es aber eigentlich gar nicht ernst meinen. Das zeigte sich etwa bei dem geplanten „Marschall-Plan“ für Afrika, der mit den Beschlüssen des G20-Gipfels im Juli sehr viel ernüchternder ausfiel als angekündigt. Und derzeit kann man es auch am Dieselskandal beobachten: Die Autobauer wurden von der Politik bislang nicht zu teuren Hardware-Nachrüstungen verpflichtet, die für eine deutliche Reduktion der Emissionen sorgen würden. Stattdessen kamen sie bisher mit Software-Upates davon, die den Schadstoffausstoß nur unzureichend senken.
Einige der Referenten auf der YoucoN stehen in regelmäßigem Kontakt mit Regierungsgremien. Sie erleben in ihrer täglichen Arbeit, welche politischen Hürden und Versäumnisse den Weg zu mehr Nachhaltigkeit erschweren. Wie ernst ist es Politikern, Nachhaltigkeit in politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Prozessen zu etablieren? Was muss die zukünftige Bundesregierung in den kommenden Jahren tun?
Trotz Fortschritten noch viel Entwicklungsbedarf
Thomas Hohn von Greenpeace sieht Bewegung und Maßnahmen seitens der Politik, die zeigten, „dass sich die Bundesregierung auf den Weg macht.“ Sie mische aktiv mit, so etwa mit dem Nationalen Aktionsplan zur Bildung für nachhaltige Entwicklung. Er sieht allerdings auch noch viel Verbesserungsbedarf: „Die internationalen Entwicklungsziele sind nicht wirklich im nationalen Aktionsplan verankert.“ Er hält es für notwendig, dass die Politik umsteuert und die deutsche Regierung ihren Willen zur Nachhaltigkeit durch konkrete Taten zeigt. „Es darf nicht bei Lippenbekenntnissen bleiben“, sagte der 48-Jährige.
Am Beispiel des Klimawandels macht Hohn deutlich, was er damit meint: Um die Klimaziele zu erreichen, müsse Deutschland endlich aus der Kohle aussteigen und den Verbrennungsmotor aufgeben. Stefan Rostock, NRW-Fachpromoter für Klima und Entwicklung bei Germanwatch in Bonn, teilt diese Meinung: Das Verständnis für die Klimakrise auf Seiten der Bundesregierung sei da. Ein aktuelles Problem sehe er aber im großen Einfluss der Auto- und der Fossilindustrie auf die Politik. „Aber das ist im Wandel.“ Gruppierungen, die sich für Nachhaltigkeit und soziale Ziele einsetzten, würden mehr an Einfluss gewinnen. Ihre ökologischen und sozialen Argumente setzten sich zunehmend durch.
Vier Prioritäten für die Zukunft der Nachhaltigkeit
Angelica Garcia steht anders zum Engagement der deutschen Politik. Die 37-jährige Kolumbianerin arbeitet für Global Learning. Während der YoucoN sprach sie mit den Teilnehmern unter anderem über die Entwicklungsziele und die Produktion von nachhaltigem Kaffee. Ihre Meinung: „Die aktuelle Bundesregierung tut sehr wenig für Nachhaltigkeit.“ Damit die Entwicklungsziele wie geplant bis 2030 umgesetzt werden können, müsste sehr viel passieren. „Ich finde, es gibt Sachen, die nicht passieren dürfen – wie Kinder- und Altersarmut.“
Um die Nachhaltigkeitsziele und damit auch die Bildung für nachhaltige Entwicklung in den nächsten Jahren erfolgreich zu implementieren, muss die deutsche Politik laut Thomas Hohn vor allem vier Entwicklungen vorantreiben: Bildung für nachhaltige Entwicklung soll in der Schule fest verankert werden und die Jugend aktiver beteiligt werden. Die Finanzierung dieser Prozesse muss sichergestellt werden. Entscheidend ist seiner Ansicht nach auch die Verknüpfung politischer Prozesse – auf eine Weise, in der Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Bildung zusammen diskutiert werden können. Denn diese Bereiche gehören zusammen, wie er sagt.
„Worte und Taten müssen endlich Hand in Hand gehen“
In dem Workshop von Stefan Rostock wurde das Thema Klimawandel und Verantwortung thematisiert. Was hält er davon, dass die Bundesregierung auf der einen Seite die Entwicklungsarbeit in Afrika intensivieren und Fluchtursachen bekämpfen möchte, auf der anderen Seite aber als Teil der EU geplante Abkommen unterstützt, die zu Ungunsten afrikanischer Staaten ausfallen könnten? Rostock fordert, dass die Aussagen der Politik mit ihren Handlungen übereinstimmen müssen. Der Referent betonte aber auch, dass die Agenda 2030 das Potenzial habe, diese Übereinstimmung zu erreichen. Diese Agenda ist ein Abkommen, mit dem sich alle Mitgliedsstaaten der UN dazu verpflichtet haben, die 17 Entwicklungsziele (SDG) bis zum Jahr 2030 zu erreichen.
Teilnehmer der YoucoN auf dem richtigen Weg
Auf der YoucoN wurde auch deutlich: Das Erreichen der Entwicklungsziele und die Förderung der BnE hängt nicht nur von der Politik, sondern auch ganz entscheidend vom Verhalten jedes Einzelnen ab. Die Referenten sind davon überzeugt, dass die Teilnehmer der YoucoN auf dem richtigen Weg sind. „Es ist gut, dass ihr eure eigene Vision entwickelt“, ermunterte sie Global Learning-Vertreterin Angelica Garcia. Und Greenpeace-Mitarbeiter Thomas Hohn betonte: „Die Veranstaltung macht mich sehr hoffnungsvoll. Die nächste Generation ist schon längst bereit.“ Die Aktivisten gaben den Teilnehmenden auch Tipps mit auf den Weg, wie sie konkret etwas bewegen können. Angelica Garcia wies auf die Bedeutung von Wahlen hin: Die jungen Leute sollten „nicht unterschätzen, was man als Wähler für eine Macht hat.“