Das YOU Summer Festival zog in diesem Jahr wieder sehr vielfältige Besucher an: junge Menschen unterschiedlichen Alters, Geschlechts und Herkunft, mit persönlichen Interessen und Einstellungen. Doch wie vielfältig war die Messe selbst? Wir haben uns an diesem Wochenende vor allem einmal genauer angeschaut, welche Rollenbilder auf der YOU vermittelt werden.

Frauen in die MINT-Berufe

“Es gibt keinen großen Unterschied. Mädchen sind genauso interessiert wie die Jungs”, sagte Wissenschaftler Torben Schindler. Er führt regelmäßig Schülergruppen aus ganz Deutschland durch den ”InnoTruck”, in den vergangenen Tagen auch auf der YOU.

Wenn der interaktiven Bus des Bundesforschungsministeriums auf Tour ist, besucht er explizit auch Mädchenschulen, um die Schülerinnen für MINT-Berufe zu begeistern. Die Abkürzung MINT steht allgemein für die Bereiche Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik.

Die intuitive Bedienweise der Ausstellung in dem großen Messe-Lkw soll jedem den Zugang zu technischen und naturwissenschaftlichen Themen ermöglichen. Auf einer Fläche von 100 Quadratmetern sind im InnoTruck 80 Exponate ausgestellt. Neugierige können sich dort über moderne Berufe in den MINT-Bereichen informieren. “Mädchen können genau das Gleiche. Mathe sogar manchmal besser als die Jungs”, sagt Schindler.

Glitzer und Glamour – nicht nur für Mädels

Nur wenige Meter entfernt, drinnen in einer der Ausstellungshallen, geht es gewissermaßen auch um Technik – allerdings eher um die richtige Schminktechnik. An der Beauty Bar konnten sich Jugendliche schminken und ihre Haare und Nägel machen lassen. Nach dem gängigen Vorurteil also ein Angebot, das vor allem Mädchen ansprechen soll. Und tatsächlich saßen mehrheitlich junge Mädchen auf den Stühlen des Standen. Also nichts für Jungs?

Danielle Can sieht das anders. Sie ist Mitarbeiterin bei der Beauty Skills School Berlin, einer Kosmetikschule, die sich eigentlich nur an Mädchen richtet. Doch auf der YOU hätten sich durchaus auch männliche Besucher Steine ins Gesicht kleben oder ihre Nägel mit Glitzer verschönern lassen, sagt sie: “Wir haben 2019, Jungs schminken sich mittlerweile besser als wir.” Sie erzählt eine Anekdote von einem kleinen Jungen, der am Wochenende den Stand besuchte. Seine Mutter habe ihn gefragt, ob er auch etwas an dem Stand machen lassen möchte. Er habe geantwortet, dass er unbedingt etwas machen wolle und sei begeisterter gewesen als seine Schwester.

Nebenan konnten sich die Jugendlichen die Haare stylen lassen, vorwiegend Flechtfrisuren. “Jungs haben meistens kurze Haare”, sagte Marco Polensky, ein Vertreter der Friseurinnung Berlin. Bis Sonntagvormittag habe sich noch kein Junge die Haare flechten lassen.

An einem anderen Stand kümmerten sich drei junge Frauen um die Besucher. Eine davon war Justine, eine angehende Kosmetikerin. Sie sagt, dass auch Jungs auf ihren Stand gekommen seien: “Sie wollten ein bisschen Highlighter, ein bisschen Glitzer im Gesicht. Ein Junge mit gelben Haaren wollte auch ein bisschen gelb auf die Augen haben.” An diesem Messestand gab es keine männlichen Mitarbeiter. Laut Justine liegt das daran, dass sich zwar auch Männer zum Make-Up Artist ausbilden lassen können, diese seien allerdings eindeutig in der Minderheit.

Frauen beim Gaming-Stand unterrepräsentiert

Gegenüber der Schmink- und Frisurenstände präsentierte sich die Firma Caseking, die PC Systeme und andere Komponenten verkauft. Mehrere Jugendliche zockten dort an Computern. Sie konnten wählen zwischen dem Fußballsimulator Fifa oder dem Spiel Rocket League, bei dem die Spieler einen großen Ball mit Hilfe von Autos in das gegnerische Tor befördern müssen. Der Stand war mit verschiedenen PC-Cases geschmückt, die von LEDs beleuchtet wurden.

Die Standmitarbeiter waren sich einig darüber, wer den Stand vor allem nutzte: “Jungs!” Zwar seien auch einige wenige Mädchen an ihren Stand gekommen, doch die hätten meist nur zugeschaut. “Wir sprechen alle Leute an, die gerne zocken”, sagte ein männlicher Mitarbeiter. Auf der Rückseite des Standes konnten sich Jungs und Mädchen mit bunten Hüten und Perücken von der Fotobox abbilden.

Schönheitsideale beim Modelcontest

Besondere Aufmerksamkeit zog am letzten Messetag die Preisverleihung des “YOU LOOK Modelcontest” auf sich. Der war in Zusammenarbeit zwischen der Agentur “IZAIO” und dem YOU Summer Festival organisiert worden. Jungs und Mädchen zwischen 14 und 19 Jahren konnten sich bewerben. Teilnehmen konnte man online schon seit Anfang Mai. Das machten mehr als 300 Jugendliche, per Instagram bewarben sich noch einmal mehr als 200. Auch auf der YOU hielten die Model-Scouts der Agentur “IZIAIO” Ausschau nach weiteren potenziellen Bewerberinnen und Bewerbern.

Es gab aber auch kritische Stimmen: Lehrerin Mareike Mathias hatte vor dem Messebesuch mit ihren Schülerinnen und Schülern über das Programm diskutiert. Gemeinsam kamen sie zu dem Schluss, dass sie an dem Model-Contest weder teilnehmen noch dem Thema Aufmerksamkeit schenken wollten: “Müssen wir denn überhaupt Schönheitsidealen entsprechen?”, fragte Mathias.

Die Veranstalter hatten jedenfalls eine sehr genaue Vorstellung, welche Kriterien zukünftige Models erfüllen sollen: Managerin Cornelia Bartsch erzählte, dass die Jury bei den Anwärtern besonders auf die Ausstrahlung achte – und natürlich müsse die Person auch “schön” sein. Kleine Menschen hatten eher schlechte Chancen: Die Idealgröße bei Mädchen liegt zwischen 175 und 182 cm und bei den Jungs zwischen 185 und 190 cm. Außerdem sollten Bewerber eine starke Persönlichkeit haben, sagte Bartsch, denn ein starkes Selbstbewusstsein sei in diesem Job sehr wichtig.

Die Gewinner des Model-Contest, jeweils ein Junge und ein Mädchen, bekamen als Preis eine Kamera und eine Lichttherapie-Gerät für reinere Haut. Außerdem gewannen sie ein Fotoshooting und einen Model-Vertrag der Agentur.

Aussteller für ein vielfältiges Gesellschaftsbild

Weniger um Äußerlichkeiten und mehr um Inhalte ging es in der Future Hall. Dort stellten sich Unternehmen, Hochschulen, Verbände und Initiativen vor. Die Besucher sollten sich hier einerseits über eine mögliche Ausbildung oder ein Studium informieren. Zum Anderen sollten Verbände und Initiativen die Jugendlichen aufklären – und zwar jeden, der sich für die Themen interessierte, ob jung oder alt, Mädchen oder Jungs.

Vergleichsweise große Stände hatte die Bundeswehr, und zwar an verschiedenen Standorten des Messegeländes für unterschiedliche Abteilungen. Sie wollte damit vor allem Nachwuchs gewinnen. Der Oberstabsfeldwebel und Messestandleiter Sascha Grün sagte: “Es sind Soldatinnen wie Soldaten hier. In dem Bereich des Sanitätsdienstes der Bundeswehr ist verhältnismäßig viel weibliches Personal eingesetzt, in den Kampftruppen eher weniger. So spiegeln wir das auch in unserem Auftritt auf der Messe wider.”

Es gehe also auch darum, zu zeigen, dass die Bundeswehr bunt sei: “Wir haben Leute mit Migrationshintergrund im Team und einen Arbeitskreis homosexueller Soldatinnen und Soldaten.” Diese Informationen tragen Sascha Grün und das Team der Bundeswehr allerdings nicht aktiv an die Besucher heran: “Alles, was Werte und Erfahrungen der Soldatinnen und Soldaten angeht, passiert im persönlichen Gespräch. Wir sind Leute wie du und ich, Eltern, Schüler, Auszubildende”, sagte Grün.

Auch die Messestände der Polizei nehmen insgesamt eine große Fläche auf der YOU ein. Die Bundespolizeiakademie wirbt mit dem Slogan “Mit Sicherheit vielfältig” und bildet auf Werbebannern verschiedene Typen und Geschlechter ab. Die Polizeihauptkommissarin Sabrina Schultz ist in der Einstellungsberatung Berlin tätig und war mit für die Organisation des Messeauftritts zuständig. “Bei uns wird Teamfähigkeit vermittelt. Wir sind zwar eine Behörde, aber trotzdem sagen wir immer, wir sind eine Familie und so treten wir hier auch auf”, sagte Schultz.

Auch mehrere gemeinnützige Initiativen hatten einen Stand in der Future Hall und sprachen mit den Besuchern über ihre Inhalte. Der gemeinnützige Verein Jugend gegen AIDS e.V. klärt junge Menschen auf und informiert sie über sexuell übertragbare Krankheiten. Lilian Pürthner ist Teil des Teams und sagte: “Wir stehen für ein offenes Gesellschaftsbild und dafür, dass Sexualität kein Grund zur Ausgrenzung ist. Uns ist wichtig, dass man sich selbst und andere schützt und respektiert.” Dieses Bild wollen sie auch an die Besucher weitergeben.

Auch die Beratungsstelle Pro Familia in Berlin klärt auf und machte auf der YOU mit einem Stand auf sich aufmerksam. Ringo Stephan und Tania Engineer arbeiten für Pro Familia und wollen Jugendliche mit ihrer Arbeit in ihrer Persönlichkeit und Selbstbestimmung stärken, ohne Rollenbilder zu vermitteln. “So bunt wie die Gesellschaft ist, sehen wir es auch an unserem Stand. Wir sind große Verfechter von Vielfalt”, sagte Ringo Stephan.

Charlene Penndorf arbeitet in der Öffentlichkeitsarbeit des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und betreut das Bundesprogramm “Demokratie leben!” mit. Mit dem Programm werden Initiativen, Vereine und engagierte Bürgerinnen und Bürger unterstützt, die sich für ein vielfältiges, gewaltfreies und demokratisches Miteinander einsetzen. Sie sagt: “Wir leben in Vielfalt und das ist auch gut so.”

Transparenzhinweis: Die Autorin Johanna Dörrie, die in diesem Text unter anderem über den Stand von Jugend gegen AIDS e.V. schreibt, ist selbst in diesem Verein ehrenamtlich aktiv.