Im Rahmen der anstehenden EU-Wahl am 9.Juni 2024 habe ich mich mit der Frage beschäftigt „Wen soll ich überhaupt wählen?“. Mit meinen 19 Jahren ist dies meine aller erste Wahl überhaupt und vermutlich für einige junge Personen ebenfalls. Dieses ganze Konstrukt wirkt schnell überwältigend und im Zuge dessen habe ich mir zur Aufgabe gemacht dies etwas zu filtern.
Hierzu habe ich mir einen Fragenkatalog mit zehn Fragen überlegt, die auf fünf Kategorien aufgeteilt sind. Diesen habe ich dann an 13 zur Wahl antretenden Parteien verschickt. Sechs Parteien (CDU, SPD, die Grünen, FDP, die Linke und die Piratenpartei) haben geantwortet. Von einigen habe ich bis heute keine Rückmeldung erhalten, darunter beispielsweise die AfD oder Bündnis Sahra Wagenknecht.
Falls du unsere passende Podcastfolge zu der Wahl schon gehört hast, weißt du bereits, dass ich hier im youthmag die unbearbeiteten Antworten kategorienweise in voller Länge veröffentlichen werde. In diesem Artikel geht es um die Kategorie „Lösungen“, welche zwei Fragen umfasst.
Frage 1: Welche Schwierigkeiten erwarten Sie in naher Zukunft?
CDU: „In den letzten Jahren wird unser Europa zunehmend herausgefordert. Nach Jahrzehnten des Friedens und der Stabilität wird heute unsere Freiheit und unsere Sicherheit in Europa massiv bedroht. Der brutale Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine führt uns täglich vor Augen, dass Frieden zerbrechlich ist und die Freiheit verteidigt werden muss. Mit dem Aufstieg Chinas verändern sich die Kräfteverhältnisse in der Welt grundlegend. Die digitale Transformation, Künstliche Intelligenz und der Kampf gegen den Klimawandel verändern die Wirtschaftswelt sehr. Die transatlantische Partnerschaft mit den USA ist stark, aber wir müssen mehr dafür tun. Das Erstarken extremistischer, antiliberaler Kräfte und antiwestliche Parallelgesellschaften bedrohen das Fundament des europäischen Projekts und der freiheitlichen Demokratie. Diese Herausforderungen verlangen unseren vollen Einsatz für unser Europa.“
SPD: „Europa muss in Zeiten, in denen wir damit umgehen müssen, dass vor den Toren der EU ein brutaler Angriffskrieg geführt wird, auch verteidigungspolitisch auf eigenen Füßen stehen. Es gibt zum Beispiel noch viel zu wenig gemeinsame Beschaffung von Ausrüstung. Wenn wir das harmonisieren, werden wir die Kosten erheblich reduziert und die Zusammenarbeit erleichtert. Die nationalen Armeen in der EU arbeiten schon immer enger zusammen, aber bis zu einer europäischen Armee ist es noch ein weiter Weg.“
die Grünen: „Europa sieht sich mit den Folgen der Klimakrise konfrontiert, die immer klarer sichtbar werden – Dürre, Überschwemmungen, Ernteausfälle. Hier müssen wir zum Beispiel durch den Ausbau erneuerbarer Energiequellen entgegensteuern und auch die Anpassung an die neuen Gegebenheiten voranbringen. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine bedroht den Frieden in Europa. Die EU muss hier zusammenstehen, um die Ukrainer bei ihrem Kampf um Freiheit und Selbstbestimmung zu unterstützen.“
FDP: „Die EU steht vor zahlreichen Herausforderungen: Die EU muss wehrhaft sein und in außen- und sicherheitspolitischen Fragen schnell handeln können. Sie muss die irreguläre Migration in den Griff bekommen und die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit sichern. Zudem muss unsere kritische Infrastruktur vor dem Einfluss autokratischer Staaten geschützt sein. Daher wollen wir die EU-Investitionskontrolle für ausländische Direktinvestitionen verschärfen, wenn sie die Sicherheit der EU gefährden. Wir müssen damit rechnen, dass autokratisch- und diktatorisch regierte Staaten noch stärker gegen unseren demokratischen Werte und Interessen agieren. Daher bedarf es unserer Ansicht nach Abhängigkeits-Stresstests für die Wirtschaft und breiter aufgestellter Lieferketten.“
die Linke: „Die Ungleichheit zwischen oben und unten wächst dramatisch. Auch die Ungleichheit zwischen den Staaten in der EU wächst. Das ist schlecht für die Menschen, es ist schlecht für den Zusammenhalt in der EU und es ist schlecht für die Demokratie. Das reichste 1 Prozent besitzt fast die Hälfte des Reichtums in Europa. Corona, Krieg und Krise haben für viele Menschen weniger Geld und mehr Sorgen bedeutet. Die Vermögen der Reichsten sind stark gewachsen. Warum? Weil viele Länder – wie Deutschland – die Steuern für Reiche gesenkt haben. Weil Mieten, Strom- und Lebensmittelpreise nach oben getrieben werden und die Regierung riesige Summen in Aufrüstung steckt. Das macht die Besitzer und Aktionäre der Konzerne reich. Wenn in Deutschland die Vermögensteuer wieder eingeführt wird, können Schulklassen kleiner und der ÖPNV billiger werden und es gibt mehr Kitaplätze. Wir wollen überall in der EU die Steuern auf Konzerngewinne und Vermögen und Erbschaften der Superreichen erhöhen. In Deutschland fordern wir eine Vermögensteuer ab 1 Million Euro (abzüglich Schulden). Vermögen oberhalb von 1 Milliarde Euro wird mit 12 Prozent besteuert: Niemand braucht mehr als 999 Millionen Euro. Das Scheitern der EU an der sozialen Frage wird auch in der Verteilung von Profiten und Löhnen deutlich: Die Profite der Konzerne gehen durch die Decke. Die Löhne nicht. Die Kosten für Miete, Essen, Benzin, Strom und Heizung explodieren. Für viele Menschen reicht das Geld nicht mehr bis zum Monatsende. Mehr als 100 Millionen Menschen in Europa arbeiten zu Niedriglöhnen – gemessen an den Löhnen ihres jeweiligen Landes. In Deutschland ist es jede*r sechste, in Ostdeutschland jede*r dritte in Vollzeit. Unternehmen nutzen die niedrigeren Löhne in anderen EU-Staaten aus, um Gewinn zu machen. Die EU verlangt auf dem Papier, dass keine Armutslöhne gezahlt werden und dass möglichst alle Beschäftigten von Tarifverträgen geschützt werden. In Deutschland sind es nicht mal die Hälfte. Aber die deutsche Regierung tut nichts. In Deutschland müsste der gesetzliche Mindestlohn über 14,14 Euro liegen. Die Linke fordert: Aufrunden auf 15 Euro! Auch die Klimakrise spitzt sicher weiter zu: Die EU wird ihre selbstgesteckten, viel zu niedrigen Klimaziele krachend reißen – unterdessen eskaliert die Klimakatastrophe mit Waldbränden, Dürren und Starkregen auch in Europa. Der Weg, über höhere Preise und steuerpolitische Anreize die CO2-Emissionen zu verringern, wird die Klimakatastrophe nicht aufhalten. Die Regierenden in der EU erklären, dass sie eine klimaneutrale Wirtschaft wollen. Aber sie scheuen den Konflikt mit den Konzernen, die fossile Energieträger ausbeuten, und wollen nicht mit einer Wirtschaftspolitik brechen, die die Interessen von Reichen und Konzernen nach vorne stellt. Ihr Fokus auf „Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit“ und Standortkonkurrenz bedeutet für Menschen und Umwelt: Ungleichheit, Armut und Zerstörung. Die Linke setzt sich deshalb für einen sozialen und ökologisch gerechten Umbau der Wirtschaft ein (siehe die Frage zu Klimaschutz). Dieser Umbau würde mehr grenzübergreifende Kooperation und internationalen Austausch erfordern. Doch die USA, China und die EU ringen um die Vormachtstellung bei der Produktion grüner Technologien und versuchen, die Welt in Einflusssphären aufzuteilen. Die Ampel-Parteien und auch die Union treiben diesen Wettbewerb voran. Sie setzen auf mehr Aufrüstung, Handelskriege und liefern Waffen in Kriegsgebiete. Mehr Konkurrenz, gewaltsame Konflikte und Kriege verschärfen die ökologische Krise weiter. Knappe Ressourcen und finanzielle Mittel für den Umbau der Wirtschaft werden durch ein wirtschaftliches Wettrüsten verschleudert. Wir wollen stattdessen internationale Kooperation, fairen Handel und ein geeintes Europa, das sich unabhängig von der Blockkonfrontation macht.“
Piratenpartei: „Ein Erstarken nationalistischer Kräfte, einen heißen Sommer und eine Niederlage der Ukraine, weil Europa einfach zu wenig tut, um zu helfen.“
Frage 2: Welche Probleme ordnen sie als besonders brenzlig ein?
CDU: „Stärkung der Verteidigungsfähigkeit Europas einerseits und Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft andererseits. Diese zwei Fragen: wie können wir die Sicherheit Europas Stärken und den Wohlstand Europas mit Blick auf den globalen Systemwettbewerb erhalten – werden uns am meisten in den nächsten Jahren beschäftigen.“
SPD: „Wir müssen sicherstellen, dass die Rechtsextremen in Europa keinen stärkeren Einfluss gewinnen und die EU nicht länger blockieren können. Es ist offensichtlich, dass Russland und China versuchen, über Parteien wie die AfD Einfluss auf die EU zu nehmen. Ihr Ziel ist es, einen Keil zwischen die Mitgliedsstaaten zu treiben und Europa zu schwächen. Wir müssen gemeinsam und entschlossen gegen diese Versuche vorgehen und für ein starkes Europa Union eintreten.“
die Grünen: „Durch den drohenden Rechtsruck im Europäischen Parlament und in vielen Mitgliedstaaten ist die europäische Demokratie in Gefahr. Zudem könnten viele wichtige politische Projekte ins Stocken geraten, etwa der Green Deal, mit dem Europa sich auf den Weg zum ersten klimaneutralen Wirtschaftsstandort gemacht hat. Denn Rechtspopulisten haben kein Interesse an Lösungen – sie profitieren von ungelösten Problemen. Deswegen wollen wir bei den Europawahlen mit einem starken Ergebnis dazu beitragen, demokratische Mehrheiten für klimaneutralen Wohlstand, Gerechtigkeit und Frieden zu ermöglichen.“
FDP: „Dass die Friedensordnung in Europa erschüttert wurde. Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine herrscht wieder Krieg in Europa. Die Ukraine verteidigt Werte wie Freiheit, Demokratie und Selbstbestimmung, die auch uns angehen. Wir stehen weiter fest entschlossen an der Seite der Ukrainerinnen und Ukrainer. Die Ukraine muss den Krieg gewinnen und ihre territoriale Integrität und Souveränität zurückerlangen. Dafür muss die EU die Ukraine weiterhin humanitär, finanziell, wirtschaftlich und militärisch stärker unterstützen. Zudem sehen wir, dass die EU und damit auch Deutschland wirtschaftlich hinter die USA und China zurückfällt. Wir wollen mit einer Wirtschafts- und Finanzpolitik entgegensteuern, die unseren Wohlstand wachsen lässt, Chancen für junge Menschen schafft und Preissteigerungen aktiv bekämpft.“
die Linke: „Mehr als 120 Millionen Menschen sind von Armut bedroht – eines von vier Kindern in Europa. Armut hat nicht überall dasselbe Gesicht: Rentner*innen sammeln Flaschen. Familien können sich keinen Urlaub leisten. Kinder sitzen ohne Frühstück in der Schule. Andere leben auf der Straße. Viele arme Menschen arbeiten zu Billiglöhnen in reicheren Ländern, als Erntehelfer*innen oder in der 24-Stunden-Pflege. Armut ist immer ein Versagen der Regierungen. Die EU muss dafür sorgen, dass in allen Staaten ein sicheres soziales Netz geschaffen wird: Sozialleistungen und gesetzliche Mindestlöhne müssen sicher vor Armut schützen. Für Deutschland fordern wir: keine Rente und keine Sozialleistungen unter 1.200 Euro! Soziale Sicherheit ist die Voraussetzung für ein würdevolles Leben. Wenn Konzerne und Reiche in die Pflicht genommen werden, ist das bezahlbar. Wir setzen uns für gute Sozialleistungen ein und dafür, dass Menschen nicht auf Sozialleistungen angewiesen sind: Weil die Löhne und Renten für ein gutes Leben reichen. Weil die öffentlichen Dienstleistungen gebührenfrei sind. Weil Wohnen und Energie bezahlbar sind. Shell, Lidl, Aldi und andere Konzerne haben während Krieg und Energiekrise die Preise hochgesetzt. Lebensmittel sind um ein Drittel teurer geworden, Energie um die Hälfte. Die überhöhten Preise sind mit Steuergeldern abgefedert worden. Die Steuerzahler saßen trotzdem in der Kälte. Inflation ist keine Naturgewalt. Preissteigerungen bedeuten: Wir müssen mehr zahlen, die Konzerne machen größere Profite. Die Linke will verhindern, dass aus Krisen Profit geschlagen wird. Das ist machbar: Wenn Übergewinne wegbesteuert werden, gibt es keine Anreize mehr, die Preise zu erhöhen. Wir fordern eine Übergewinnsteuer in der EU von 90 Prozent auf alle Extraprofite. Strom- und Gaspreise dürfen nicht dem Markt überlassen werden. Wir wollen sozial gestaffelte Preise. Ein internationaler Großkonzern zahlt in der EU durchschnittlich knapp 19 Prozent Steuern, der Bäcker von nebenan etwa 30 Prozent. Wir wollen Steueroasen und Steuervermeidung einen Riegel vorschieben. Der EU entgehen dadurch jedes Jahr 835 Milliarden Euro. Wir wollen einheitliche Mindeststeuern für die großen Unternehmen in Europa.“
Piratenpartei: „Die Angriffskriege und Zersetzung der Demokratie durch autokratischer Staaten wie Russland, die Volksrepublik China oder der Islamischen Republik Iran gegen demokratische Staaten. Das aktuell eine „Achse der Autokratien“ bestehend aus diesen drei Staaten durch Bestechungen, wirtschaftliche Abhängigkeiten, Korruption, und Informationskrieg alles versucht das Vertauen der Menschen in Europa in die gemeinsame europäische demokratische Zukunft zu unterminieren. Den Klimawandel und andere brenzlige Probleme, so hat es die Geschichte gezeigt, kann nur in freiheitlichen und pluralistischen Gesellschaften durch seine Bürgerinnen und Bürger gelöst werden. Dass es aktuell auch in der EU in der jüngeren Generation Unterstützung autoritärer politischer Scheinlösungen gibt, ist besorgniserregend. Deswegen ist es umso wichtiger, dass wir einen informierte und aufgeklärte gemeinsame europäische Öffentlichkeit haben, die europaweit gemeinsam neue Lösungen und Ideen diskutiert und umsetzen kann. Es ist wichtiger denn je, dass wir eine gutinformierte und gegenüber autokrafischen Bestrebungen wachsame europäische Öffentlichkeit haben, welche sich gegen diese Gefahren selbstbewusst und freiheitlich behaupten kann. Die sich zunehmend weiter öffnende Schere zwischen arm und reich, die sich nicht nur in direkten finanziellen Fragen zeigt, sondern auch in fehlendem preisgünstigem Wohnraum, dessen Schaffung jahrzehntelang vernachlässigt wurde, was heute wiederum dazu führt, dass weder inländische wie zu uns kommende Bedürftige ausreichend versorgt werden können.“