Quelle: Booktastica


Sie sind der Treffpunkt für Menschen, die gerne lesen, schreiben und mit Gleichgesinnten in Geschichten stöbern möchten – auf Buchmessen treffen sich jährlich Hunderttausende Besucher:innen, die Wörter in all ihren Facetten lieben. Wie so vieles andere auch sind diese Veranstaltungen der Corona-Pandemie zum Opfer gefallen. Das hat große Auswirkungen auf Verlage und Autor:innen. Deshalb haben drei Autorinnen gemeinsam eine kleine digitale Buchmesse auf die Beine gestellt – die Booktastica

Digitale Messen, auf denen Autor:innen ihre Werke vorstellen und mit Leser:innen ins Gespräch kommen – so neu ist diese Idee in Zeiten von Corona zugegebenermaßen auch nicht mehr: So fand die Frankfurter Buchmesse im Oktober 2020 mit einem deutlich reduzierten Veranstaltungsprogramm statt, das digital in die Welt übertragen wurde, und auch kleinere regionale Buchmessen wie die Buchmesse Saar setzen auf virtuelle Events.

“Es ist so, dass die Angebote, die es schon gibt oder die jetzt neu dazu kommen, sich primär eher mit Vorträgen beschäftigen. Sie haben meistens einen Tagungscharakter, es gibt Panels, in denen bestimmte Themen besprochen werden und uns hat eben eine Veranstaltung gefehlt, wo es wirklich eher um das Soziale geht”, erzählt Jana Tomy. Sie ist als Autorin, Sprechtrainerin und Schauspielerin seit Jahren im Netz unterwegs. Gemeinsam mit zwei Gleichgesinnten, die online als Juliana Fabula und Lily Wildfire bekannt sind, hat sie die Booktastica ins Leben gerufen. Die Idee: Auf einer virtuellen Buchmesse, die über eine eigene Homepage gehostet wurde, konnten Autor:innen und Verlage sich selbst und ihre Werke präsentieren. Über Livestreams konnten sich die Autor:innen direkt an die Besucher:innen wenden, die über einen Chat Fragen stellen oder einfach quatschen konnten. Ein Terminplan zeigte ganz wie auf einer echten Buchmesse an, wer wann an seinem virtuellen Stand anzutreffen war – wie die Autor:innen ihre Zeit gestalteten, war jedoch ihnen überlassen. 

Eine Formel für den Weltfrieden

Eine dieser Autor:innen ist Annabelle Laprell. Die 20-Jährige studiert Deutsch und Englisch auf Lehramt und veröffentlicht nebenbei Bücher. Von der Booktastica erfuhr sie über den GedankenReich-Verlag, bei dem ihr nächstes Buch erscheinen wird. In “Die Friedensformel” entdeckt ein Forscher eine Formel, die für Weltfrieden sorgen soll. Auf der Booktastica las sie schon einmal ein paar Stellen aus dem Roman vor. Den virtuellen Kontakt mit den Leser:innen fand sie sehr schön, sie hätte sich sogar noch mehr Interaktion gewünscht: . “Ich fände es cool, wenn man auch videomäßige Interaktionen gehabt hätte – natürlich nur, wenn die Leser:innen das auch gewollt hätten. Das kann man ja vielleicht nächstes Mal noch irgendwie mit einbauen.” Trotz kleinerer technischer Schwierigkeiten würde sie wieder an einem solchen Event teilnehmen: “das ist ja auch für Leser:innen und Autor:innen immer eine schöne Chance.” 

Buchmessen sind eine wichtige Plattform – nicht nur für Verlage, sondern auch für sogenannte Selfpublisher. Das sind Autor:innen, die sich um alle Aspekte ihrer Buchveröffentlichung selbst kümmern. Sie entscheiden, wer den Text korrigiert und lektoriert, wer das Cover gestaltet und zu welchem Preis das Buch letztendlich auf welchen Plattformen angeboten wird. Das bedeutet aber auch, dass sie für all diese Dienstleistungen selbst zahlen, während ein Verlag das für die Bücher, die er herausgibt, übernimmt. Juliana und Lily veröffentlichen ihre Bücher ebenfalls im Selfpublishing, während Jana beim GedankenReich-Verlag veröffentlicht hat. “Mir war es einfach wichtig, gewisse Freiheiten haben zu können, bezüglich des Marketings und meinem Buch – das liegt aber auch daran, dass ich aus einer Werbeagentur komme. Mir lag das Thema eben”, erzählt Juliana. Sie arbeitet neben dem Schreiben vor allem als Grafikdesignerin, während Jana Sprechtraining für Lesungen anbietet. Lily ist als Lektorin tätig. Nur sehr wenige Autor:innen können allein vom Schreiben leben. 

Meet the author – jetzt eben im Stream

In Corona-Zeiten haben die drei die Streaming-Plattform Twitch entdeckt, auf der sie regelmäßig live mit ihren Leser:innen in Kontakt treten. Das Selfpublishing, sagt Juliana, biete ihr hier viele Möglichkeiten, auf sich aufmerksam zu machen: “Ich kann zum Beispiel mein Buch komplett vorlesen, wenn ich das möchte. Autor:innen im Verlag müssen sich hier meistens erst eine Erlaubnis vom Verlag einholen, wie viel und auch welche Abschnitte gelesen werden dürfen”, erklärt sie. Generell sei Twitch in der Corona-Zeit eine wichtige Plattform für viele Autor:innen geworden, erzählt Jana: “Im Livestream stehst du viel direkter in Kontakt mit deinen Leser:innen als zum Beispiel auf Instagram. Dieses Gemeinschaftsgefühl, das hat man da wiedergefunden.” Aus diesem Grund funktionieren auch Buchmessen so gut als Plattform für Autor:innen: “Die sind ein wesentlicher Teil des Veröffentlichungsprozesses und des Marketings”, sagt Lily. Sie hat ihren Debütroman am 10. März 2020 veröffentlicht – pünktlich zur Leipziger Buchmesse, die abgesagt werden musste. “Das merkt man auf jeden Fall”. Als Reaktion auf die Absage riefen im Internet Leser:innen, Autor:innen und Kleinverlage dazu auf, unter dem Hashtag #bücherhamstern Leseempfehlungen auszusprechen. Gerade kleine Verlage, die nur wenig Geld in Werbekampagnen investieren können, können in der Krise von etwas anderem profitieren, erzählt Annabelle: “Kleine Verlage legen sehr viel Wert auf Social Media und suchen da auch den Kontakt mit den Leser:innen oder machen Vorbestellaktionen mit signierten Büchern.” Doch auch für die großen Publikumsverlage ist Social Media inzwischen ein wichtiger Bestandteil der täglichen Arbeit geworden.

Fortsetzung folgt…

Am Ende kann auch eine Online-Messe wie die Booktastica kein reales Treffen ersetzen – positives Feedback haben Juliana, Lily und Jana für ihre Idee dennoch bekommen. “Ich glaube, man hat uns ein bisschen für verrückt gehalten”, sagt Jana, als sie auf die erste Ankündigung der Booktastica zurückblickt. Dass die drei eine virtuelle Buchmesse veranstalten würden, erfuhr die Öffentlichkeit nämlich nur wenige Wochen vor dem geplanten Termin auf Twitch. Zu diesem Zeitpunkt hatten die drei schon angefangen, das Projekt zu planen, aber dennoch war der gewählte Zeitplan sportlich. “Womit, glaube ich, die wenigsten gerechnet haben, war die Tatsache, dass wir eine eigene Plattform dafür erstellt haben”, sagt Jana. Andere Ersatzprogramme für abgesagte Buchmessen hätten eher auf Plattformen wie Twitch oder YouTube gesetzt. “Am Ende war das Feedback recht gut, dafür, dass wir technische Schwierigkeiten hatten”, berichtet Jana. Die Autor:innen und Verlage hätten viele Wünsche geäußert, die das Team beim nächsten Mal umsetzen möchte. Denn eine nächste Booktastica soll es auf jeden Fall geben, auch wenn im nächsten Jahr womöglich wieder Präsenzmessen stattfinden können. Die Organisatorinnen glauben, dass eine Online-Buchmesse auch ohne Corona funktionieren kann: “Viele Besucher:innen, denen wir von der Booktastica erzählt haben, waren noch nie auf einer Buchmesse”, sagt Jana. Juliana spricht einen weiteren Punkt an: “Viele haben uns auch gesagt, dass das hier ihre erste Buchmesse gewesen ist, weil die anderen nicht barrierefrei waren oder weil es für sie mit großen Menschenmengen nicht funktioniert.” 

Am Ende der Messe war eine Sache für die Organisatorinnen ganz wichtig: “Da kam wirklich dieser Messeblues auf”, erzählt Jana. So beschreiben Messebesucher:innen häufig das Gefühl, nach einem Wochenende voller bunter Erlebnisse und Geschichten wieder in den Alltag eintauchen zu müssen. “Das war für mich persönlich wirklich der Beweis: Wir haben es geschafft, wie auch immer geartet eine Messe nachzustellen, ein Messefeeling aufkommen zu lassen, aus dem dann dieser Messeblues resultiert”, resümiert Jana. Das Experiment ist also gelungen – und soll auch im nächsten Jahr fortgesetzt werden.