Immer mehr rechtspopulistische-, nationalistisch-konservative- oder auch nationalliberale Parteien bekommen weltweit stets mehr Einfluss und Zustimmung. Wie wirkt sich das auf Europa aus?

Was ist in Europa überhaupt los?

In Frankreich steht die rechtspopulistische Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen wieder mal dem liberalen Kandidaten Macron gegenüber. Mit über 20% fahren beide Kandidat:innen hohe Wahlergebnisse in der ersten Runde ein. Genau die gleiche Situation hatte Frankreich schon bei der letzten Präsidialwahl vor genau 5 Jahren. Politikprofessor Dominique Reynié schätzt die Lage als besorgniserregend ein:

„Es zeichnet sich eine gewaltvollere Gesellschaft ab, die ihre Konflikte nicht mehr friedlich etwa bei Wahlen lösen kann“

Diese Grafik aus dem Jahre 2016 zeigt deutlich die erfolgreichsten nationalistischen und rechtspopulistischen Parteien in Europa:

 

Besonders in osteuropäischen Ländern und auf dem Balkan werden Brüche in den so hart erkämpften Demokratien immer sichtbarer. In vielen dieser Länder zeichnete sich nach dem Fall der Sowjetunion und nach dem Ende des Kalten Krieges der größte Anstieg des Demokratiefortschrittes ab.

Von einer vorbildhaften Demokratie auf dem Weg in Richtung Hybridregime

In Polen siegte die rechtspopulistische Partei Prawo i Sprawiedliwość  (PiS; übersetzt: Recht und Gerechtigkeit) 2015 bei der Präsidialwahl. Seitdem werden grundlegende demokratische Rechte beschnitten.

Der Krieg gegen die Justiz

Die rechtspopulistische Regierung versucht seit ihrem Machtantritt die Justiz zu einem willfähigen politischen Werkzeug zu machen. Illegalerweise übernahm die PiS beispielsweise den obersten Verfassungsgerichtshof und den für die Ernennung von Richtern zuständigen Rat. Anfang 2020 wurden Richter wegen einer möglichen Kritik an der Regierung mit Disziplinarmaßnahmen belegt. Beispielsweise ernannte PiS-Vorsitzender Kaczynski eine private Bekannte als Verfassungsgerichtspräsidentin.

Die Judikative ist einer der vielen Mittel, welchen sich populistische Regierungen bedienen können. Ein anderes machtvolles Werkzeug stellen die Medien dar. Diese werden in populistisch-regierten Ländern oft zentralisiert und von einer regierungsfreundlichen Instanz kontrolliert. Als bestes Beispiel lässt sich hier Ungarn unter der Regierung von dem rechtsnationalen Orban nehmen. Er zentralisierte 2010 die Macht über die Medien, schikanierte kritische zivilgesellschaftliche Organisationen und konsolidierte die Kontrolle über neue Bereiche des öffentlichen Lebens.

Wie werden rechtspopulistische Parteien immer wiedergewählt?

Populistische Parteien nutzen alle verfügbaren Wege. Darunter zählt die Kontrolle über die Medien, Schmiergelder, Korruption und andere illiberale Mittel.

Bericht aus eigener Erfahrung

Ich habe in Polen lebende Großeltern. Mit ihnen politische Debatten zu führen ist fast unmöglich, da die populistische Regierung den Öffentlichen-Rechtlichen Rundfunk kontrolliert und unter anderem „soziale Hilfen“ an die vorwiegenden älteren Wähler:innen ausgezahlt werden kurz vor der Wahl. In den kontrollierten und zentralisierten öffentlich-rechtlichen Medien wird kaum bis fast gar nicht über regierungskritische Themen berichtet. Ich habe mir mal gemeinsam mit meinen Großeltern die Nachrichten angeschaut, welche diese täglich von dem staatlich kontrollierten Rundfunk TVP konsumieren. Dieser Sender hat mehrfache regionale Ableger im ganzen Land und beeinflusst so massiv den Lokaljournalismus. In den von mir konsumierten Nachrichten wurde nur positiv über die Regierung berichtet und kritischer Journalismus war nicht existent. Kombiniert mit „sozialen Hilfen“, die als indirekte Schmiergelder gelten sollen, um der Regierung die Wiederwahl zu ermöglichen. Besonders in ländlichen Regionen, wo zumeist vorwiegend ältere Bürger:innen leben, hängen beispielsweise nur Plakate der Regierungspartei. In regionalen Lokalzeitungen werden wichtige Themen ausgelassen, wie die Korruption, die Illiberalität der Regierung  oder die immer weitere Entfernung des Systems von einer Demokratie. Jedoch ist die Situation in Polen nicht so extrem wie in Ungarn. Glücklicherweise gibt es zumindest in den großen Städten, viele regierungskritische Lokalsender, überregionale Fernsehsender oder andere freie Medien.

Als ich vom traditionell geprägten ländlichen Raum in eine größere Stadt in Polen gereist bin, sah das Bild der politischen Vielfalt schon anders aus. Es hingen mehr Plakate von oppositionellen Parteien in den Straßen und es wurde kritisch in den Lokalmedien berichtet. Die lokalen Kommunen versuchen teils mit politischen Bildungsveranstaltungen junge Menschen über demokratische Werte aufzuklären. Da hier demographisch gesehen die Bevölkerungsstruktur jünger ist als in den ländlichen Regionen, wird hier gegen Populismus und für Europa gewählt.

Dies kann man an der Grafik gut erkennen. Besonders im Osten des Landes ist PiS dominant, bis auf die großen Städte. Gelb markiert ist die Opposition, und blau unterlegt ist die PiS.

Der Widerstand gegen den Populismus

Ich hatte die Möglichkeit, mich mit polnischen Jugendlichen im Rahmen von Erasmus+ auszutauschen. Diese Befragten hielten im Großen und Ganzen nichts von der populistischen Partei und wünschen sich ganz klar eine andere Regierung für mehr Demokratie, Freiheit und Diversität. Mehrere regierungskritische Organisationen und Fernsehsender (beispielsweise: TVN) oder auch von Jugendlichen gegründete Bewegungen halten dagegen und versuchen den Wandel zu bewirken.


 

Quellenverzeichnis:

Zitat: https://www.tagesschau.de/ausland/europa/frankreich-wahl-229.html

Beitragsbild: https://emerging-europe.com/news/democracy-is-under-attack-across-central-and-eastern-europe-and-central-asia/

Grafik 1: https://katapult-magazin.de/de/artikel/zurueck-ins-19-jahrhundert

Grafik 2: https://de.wikipedia.org/wiki/Pr%C3%A4sidentschaftswahl_in_Polen_2020#/media/Datei:2020_Polish_presidential_election_-_2nd_round_results_de.svg

Restliche Quellen:

https://www.fes.de/abteilung-wirtschafts-und-sozialpolitik/artikelseite-wiso/denk-ich-an-ungarn

https://freedomhouse.org/report/nations-transit/2020/dropping-democratic-facade