Erlangen hat nicht viele Sehenswürdigkeiten, aber dafür einige wenige, die recht ansprechend sind. Das Stadtbild zeichnet sich zum Beispiel vor allem durch Siemens und die vielen historischen Universitätsgebäude aus. Neben diesen gibt es aber auch noch Jahrtausend alte Traditionen und immaterielle Kulturgüter, für die Erlangen überregional bekannt ist. Sicherlich als prominentestes Beispiel sei hier die alljährliche Bergkirchweih, ein zwölftägiges Volks- und Bierfest am Fuße des Burgbergs, zu erwähnen. Jedes Jahr um Pfingsten können auf dem „Berch“ ein kühles Bier und regionale Spezialitäten unter alten, mit Lampions geschmückten Kastanienbäumen genossen werden. Und wenn nicht gerade die fünfte Jahreszeit Erlangen in ihren Bann zieht, kann man auf demselben Gelände den Skulpturengarten Heinrich Kirchner besichtigen. Es ist fast schon traurig und eine Schande, dass ich eben diesen bis zu dem heutigen Tage nie besichtigt habe. Also habe ich mich heute aufgemacht um diese schon lang ausstehende Besichtigung abzuhaken. Mit im Gepäck hatte ich noch restliche Muffins von gestern, meinen Zauberwürfel und Harry Potter – nicht aber mein Handy. Bei der Routinekontrolle ob ich auch wirklich alles eingepackt hatte, war es ein fast schon beklemmendes Gefühl mich selber daran zu erinnern, dass ich gerade nicht daran denken muss mein Handy einzupacken.

Strahlender Sonnenschein, wolkenloser Himmel, erfrischende Frühlingsluft, zwitschernde Vögel – und kein Handy. Ich sehe mich fast schon gezwungen so den Freiheitsbegriff zu definieren. Der Garten ist schön angelegt und stellt Werke aus allen Schaffensperioden Kirchners aus: Von realitätsgetreuen Menschen bis zu sehr expressionistischen fast schon comicartigen Wesen. Weil ich gerade so im Flow war, lief ich einfach weiter und fand mich ein paar Steinwürfe später auf der anderen Seite des Burgbergs. Ich verließ mich ganz auf meinen Orientierungssinn und folgte einem Pfad der mich wieder zum Skulpturengarten führen sollte. Zufrieden mit mir selber habe ich mich dann bei einsetzender Nachmittagssonne erstmal auf die am höchsten gelegene Bank gesetzt und nichts gemacht außer in die Ferne zu blicken.

Der Tag war in dem Sinne so besonders, weil ich als ein Mensch der sonst sehr schnell zur Handykamera greift, wenn er ein schönes Motiv sieht, von all den neuen Eindrücken und Bildern kein Foto gemacht habe. Ich konnte so einfach kommentarlos und stressfrei die schöne neue Aussicht genießen, die ich bis dahin gar nicht von dieser Stadt kannte. Es war ein befreiendes Gefühl nicht entscheiden zu müssen ob diese Szenerie ein Foto wert ist oder nicht. Fast genauso befreiend war es auch, zu wissen, dass ich jetzt gerade eben kein Foto machen kann. Sprich, ich konnte so alles viel intensiver auf mich wirken lassen ohne abgelenkt zu sein: Das menschenleere Bergkirchweihgelände mit tausenden leeren Bierbänken, die urkomischen Skulpturen, die Aussicht und beeindruckende Häuserfassaden, die ich sonst nur von der Ferne aus sehe. Und hätte ich Fotos gemacht, hätte ich hinterher auch wieder entscheiden müssen, welche gut gelungen sind und welche ich löschen kann.