Leere, in den letzten Tagen verspüre ich Leere. Eigentlich wollte ich einfach mal nur Zeit für mich, doch schnell kam es dazu, dass diese Zeit bedrückend wurde. Ich war mit meinen Gedanken allein – meine Gedanken waren permanent auf Sendung. Erst waren sie positiv konnotiert – endlich mal den Alltag entschleunigen.

Am nächsten Tag schon hinterfragte ich mich und mein Sein – kann ich nicht ohne ständige Aufgaben leben? Halten sie mich von den Fragen ab, denen ich mich einfach mal stellen sollte? Verdränge ich damit das eigentliche Problem? Kann ich mich nur unter Anderen wohlfühlen? Oder muss ich einfach nur mal lernen, wirklich Zeit mit mir selbst zu verbringen? Ohne ständige Ablenkung und To Dos. Ist es in mir so düster und ich erkenne es erst in den Momenten der Stille?

Doch nur zuhause sitzen und drüber nachdenken – ist das die Lösung? Entsteht nicht dann erst die Gedankenschleife? Drüber Nachdenken ist grundsätzlich gut. Sich der derzeitigen Lage bewusst machen und eventuell Konsequenzen ziehen.

Doch was machen, wenn die Gedanken die Kontrolle übernehmen? Die Gedanken, anstatt ich selbst, mit meiner Version zur positiven Veränderung. Ich wollte mich doch selbst nur weiterentwickeln und meine Ängste überwinden. Aus meiner Komfortzone heraus. Aus der inneren Unruhe heraus.

Von Persönlichkeitsentwicklung zu Optimierungswahn und Perfektionismus

Doch irgendwie erreiche ich nur das Gegenteil. Ist das Optimierungswahn? Bin ich perfektionistisch? Sollte ich nicht mal mit mir zufrieden sein? Will ich mich ständig verbessern – im Sinne von höher, schneller, weiter? Oder ist das nicht nur Weiterentwicklung – die ist doch wichtig, oder?

Was ich mit Gegenteil meine?
Ich lese viele Artikel zur Persönlichkeitsentwicklung, doch bin schnell mit dem Input überfordert. Ich will es sofort umsetzen, aber sowas geht nur Schritt für Schritt. Fühle mich schlecht, da ich die ganzen Fähigkeiten nicht habe. Ich zweifle an mir – bin ich gut genug? Fühle mich schwach, da ich immer so schnell an mir zweifle. Also übe ich dann sogar doppelte Kritik an mir aus, wow. Ich muss mal stärker sein. Selbstbewusster. Ach, mutiger würde ich auch gerne sein. Und ich kann so gar nicht gelassen bleiben. Spontanität finde ich toll, aber wirklich spontan bin ich auch nicht. Regelmäßiger Sport würde mir und meinen Rückenproblemen auch mal gut tun. Und was ist mit den Büchern, die alle noch ungelesen in meinem Regal stehen?

Mehr über Politik und die aktuellen Geschehnisse sollte ich auch mal wissen. Und dabei dann konträre Meinungen zu akzeptieren, fällt mit echt schwer. Ich nehm‘ Vieles viel zu ernst, als ich eigentlich sollte und wollte. Nehme Vieles zu persönlich. Meine Angst vor Fehlern und auch Neuem schränkt mich auch schon ein, wenn ich jetzt so drüber nachdenke. Apropos Nachdenken – ich denke viel zu viel nach, anstatt die Dinge einfach mal zu machen. Und Meditieren soll doch gegen die ganze Unruhe helfen, dann gleich mal als To Do für die ganze Woche setzen.

 Und allem voran: „was ist bloß mein Plan auf der Welt?“ 

 


Puh, da kommt viel zusammen.


Der Druck, das alles umzusetzen, macht mich fertig. Antriebslos. Leer. Reiche ich mir selbst nicht aus? Ich will verdammt nochmal zufrieden sein mit mir, mit mir jetzt, in jedem Moment! Ich will nicht immer die beste Version meiner selbst sein, das macht doch kirre. Wir entwickeln uns doch eh stetig weiter, will ich da unbedingt noch das Feuer antreiben? Erreiche ich das Ziel meiner Persönlichkeitsentwicklung? So wie ich gerade merke – eigentlich nicht.

Mich interessiert das Thema Persönlichkeitsentwicklung sehr, aber manchmal scheint es hemmender zu sein, als mich wirklich weiterzubringen. Ich denke, Balance ist dabei wichtig. Ich will das ganze Thema nicht links liegen lassen, aber ich will es auch nicht weiter „so“ angehen wie bisher. Nicht den ganzen Tag Artikel lesen. Nicht den ganzen Tag mir Gedanken über mich selbst, meine Probleme und Visionen machen. Aber dem ganzen Thema auch nicht strikt durch Ablenkung aus dem Weg gehen. Zeit mit mir allein sollte ich verbringen können, als auch genießen können.


Gefühle realisieren, akzeptieren und loslassen

Aber was bei dem Gerede gerade zu kurz kommt, ist, dass Zweifel auch okay sind. Dass es dir auch mal nicht so gut gehen kann. Dass du auch einfach mal traurig, wütend oder sonst was sein kannst. Das ist OKAY. Wir müssen, ja müssen, unsere Gefühle auch einfach mal akzeptieren und loslassen, anstatt sie zu verdrängen, wenn sie aufkommen. Klar, es ist auch manchmal schwierig die Gefühle freien Lauf zu lassen, da Konfrontation mit Zweifeln und Ängsten nicht immer angenehm ist. Es tut weh, sich bewusst zu machen, was man über sich selbst denkt, was man für Glaubenssätze aufgebaut hat und wie man sich selbst manchmal im Weg steht.

Aber es nimmt auch eine enorme Last von den Schultern, diese Dinge mal auszusprechen. Man sagt doch so schön „geteiltes Leid ist halbes Leid“. Es tut so gut die Tränen nicht mehr zurückzuhalten. Das Umfeld zu informieren, wie es einem wirklich geht. Einfach jemanden haben, der einen hält.

Bei mir sind es gerade diese Worte, die mich halten. Ich halte mich also selbst. Ich lasse meine Gedanken los. Ich mache Platz für neue Gedanken in meinem Kopf. Doch dazu sind es meine Mitmenschen, die mich auch halten. Ich habe den ganzen Morgen über so getan, als hätte ich einfach einen schlechten Tag, habe gesagt ich will nicht drüber reden – es ist ja auch nicht einfach, darüber zu reden. Und doch habe ich es, als mein Mitbewohner mich das dritte Mal gefragt hat, warum ich so schlecht drauf bin. Meine Stimme wurde zittrig und meine Augen feucht. Erst eine Träne, dann weitere. Aber ich fühlte mich nicht schwach, ich fühlte mich befreit.


Du bist nicht allein!

Ich rate dir nur – rede darüber. Freunde, Familie oder auch Fachleuten – damit meine ich Therapeut:innen. Denn wie Julia Engelmann so schön sagt:

 „Mit ‚nem Beinbruch gehst du auch zum Orthopäden. Deshalb kannst du ja vielleicht mal mit ‚nem Psychologen reden?!
Deshalb bist du nicht verrückt – also auch nicht mehr als ich
Nimm deine Summertimesadness ab und zeig mir dein Gesicht!
Und ich will dir so vieles sagen wie zum Beispiel:
Du musst Phasen, so wie grade, nicht ertragen – nicht mal heimlich
Hör nicht auf die Zweifel, denn du bist nicht alleine
Hier, und alles geht immer weiter, immer weiter, so wie wir“ 

Lass deine Gefühle heraus und sei einfach. Hab bitte keine Angst, die zerstört dich nur noch weiter. Zeig den Leuten, wie es dir wirklich geht. Denn wenn das jede:r tut, dann sind wir auch nicht allein und können einander helfen. Verstehen einander und gehen aufeinander ein. Sind füreinander da.

Wirkliche Umarmungen sind manchmal die effektivste und einfachste Hilfe

Ja, ich brauche geraden jemanden, der für mich da ist. Ich brauche mich, aber brauche ich auch dich. Bitte lass mich an deiner Schulter lehnen und dir mein Gefühlschaos zeigen. Bitte gib mir ein wenig deiner Kraft, wenn mir an meiner fehlt. Darf ich dich bitten, ein wenig fürsorglicher zu sein, als sonst? Mir meinen Space zu geben, wenn ich ihn gerade brauche. Oder eine Umarmung, in der ich mich einfach fallen lassen kann.

Bitte lass mich einfach mal nur sein, anstatt mich weiter zu hinterfragen – das tu ich leider schon selbst genug. Wenn ich drüber reden möchte, dann tu ich das, aber lass bitte mich den Zeitpunkt wählen.


Und was ich nun unabhängig von dir tue?

Langsam angehen lassen, Schritt für Schritt, anstatt alles auf einmal ändern wollen. Denn ich bin genug so wie ich bin, jetzt, in jedem Moment. Ich muss nicht immer schlauer, gelassener und schöner werden. ICH BIN GENUG! Auf das konzentrieren, was ich gut kann. Auf meine Stärken, anstatt immer nur Schwächen. Ich weiß schon vieles, aber nun mal nicht alles. Alles werde ich nie können – aber ich kann schon so viel, ich bin so viel!

Doch momentan bin ich nur müde, müde von dem Kampf, den ich gegen mich selbst führe. Ich möchte wieder strahlen, ich möchte mich wieder schwerelos fühlen. Ich möchte wieder fantasieren

Und das braucht Zeit, das braucht Kraft und ich brauche dabei Halt. Halt von mir, Halt von Anderen. Und weißt du was, das ist machbar. Denn alles wird wieder gut. Du denkst jetzt vielleicht, was für ein lahmer 0815-Spruch das ist, aber verinnerliche ihn mal. Der ist gar nicht so schlecht.

Gedanken loslassen = Freiheit

Gar nicht so schlecht, nein gut bis befreiend ist es, gerade einfach mal ehrlich zu mir zu sein.